Was ist Konsens?

Konsens steht für „eine ehrliche Zustimmung, die jederzeit widerrufen werden kann“. Eine Handlung ist dann konsensuell, wenn alle Beteiligten vorher ehrlich zugestimmt haben, und diese Handlung zu jedem Zeitpunkt beenden können. Fordert jemand ein Stopp ein, muss es (ohne Beschwerden oder Jammern!) sofort befolgt werden.

Oder um es auf den Punkt zu bringen:

  • Nein heißt Nein!
  • Vielleicht heißt Nein!
  • Ja heißt Ja!

Das gilt für absolut alle zwischenmenschlichen Handlungen – also auch für Sex.

Was brauche ich, um Konsens zu erreichen?

Damit zwei oder mehr Menschen einer gemeinsamen Handlung zustimmen können, müssen alle konsensfähig sein. Das bedeutet, dass alle Beteiligten vor und während der gemeinsamen Handlung Folgendes tun können:

  1. Verstehen, um welche Handlung es geht und was genau darin vorkommen wird.
  2. Ein „Nein“ signalisieren. Das geht auf zwei Wegen:
    • Nonverbal über Körpersprache: Kopf schütteln, Hand weglegen, Geste machen, Abwenden, Wegdrehen oder Weggehen
    • Verbal über Sprache: „Nein“, „Stopp“, „Hör auf“, usw.
  3. Ein „Nein“ des Gegenübers freundlich und höflich annehmen – in egal welcher Situation!

Kann ein Mensch eine dieser Fähigkeiten gar nicht (versteht nicht, worum es geht), gerade nicht (ist ziemlich unter Drogen), oder wendet sie nicht an (hat ein psychisches Problem oder will sich einfach blöd spielen), ist dieser Mensch per Definition nicht konsensfähig – und somit für sexuelle Handlungen ungeeignet.

Wie sieht Konsens beim Sex aus?

  • Nein heißt Nein.
  • Vielleicht heißt Nein (aber du kannst später nochmal fragen).
  • Ja heißt Ja.

Dies sind die unumstößlichen Regeln von Konsens. Wenn Unklarheiten auftauchen, gilt die zusätzliche Faustregel, maximal zwei Mal pro Unklarheit nachzufragen, damit das Erlebnis für alle Beteiligten lustvoll bleibt.

Beispiele:

Mensch A *schiebt die Hand des Gegenübers weg*
Mensch B versteht die Geste nicht und legt die Hand wieder hin.
Mensch A *schiebt sie energischer weg und gibt einen brummigen Ton von sich*
Mensch B: Echt, das magst du nicht? Warum nicht?
Mensch A: Ich weiß nicht, so halt.

Absolut notwendige Reaktion:
Mensch B: Ok, dann machen wir das nicht.

Ideale Reaktion:
Mensch B: Ok, ich hör damit auf. Was möchtest du stattdessen machen?

Je öfter Mensch A wegen derselben Sache nachfragt, desto eher zerschießt sier die Situation und damit die Lust auf Sex von Mensch B. Als Faustregel empfehle ich daher maximal 3mal wegen derselben Sache nachzufragen, und dann mit dem Gegenüber entweder etwas Anderes zu machen, oder aus der Situation zu gehen.

Wie sieht Konsens beim Sex nicht aus?

Dieses englische Comic der Website Everyday Feminism fragt: Wie würden Alltagshandlungen aussehen, wenn wir damit so umgehen würden, wie es beim Sex immer wieder üblich ist? Es ist als eine „Anleitung zum Unglücklichsein“ zu verstehen, also wie Konsens nicht hergestellt wird.

Eine ebenso treffende Anleitung ist dieses englische Video der Londoner Polizei, in dem Konsens am Beispiel von Teetrinken erklärt wird.

 

Folgende Reaktionen auf ein „Nein!“ oder „Vielleicht?“ fallen ebenfalls nicht unter Konsens:

Herumjammern:
„Maah, warum denn nicht? …“

Überredungsversuche:
„Jetzt stell dich nicht so an, das geht doch sicher, …“

Schuldspiele:
„Ich hab‘ schon so lange keinen Sex mehr gehabt, können wir nicht doch …“
„Zuerst geil machen und dann stehen lassen, das kannst du doch nicht machen, …“
„Mein_e Ex-Freund_in hat da immer mitgemacht!“
„Jetzt sei nicht so verklemmt!“

Blödheit:
„Ich will das aber trotzdem haben!“
„Ich bin darauf aber trotzdem geil!“

Ein Mensch, der vor oder während dem Sex solche Aussagen von sich gibt, ist nicht konsensfähig. Für das Gegenüber ist die sicherste Reaktion daher immer, eine (weitere) sexuelle Handlung mit diesem Menschen gar nicht anzufangen, oder, wenn mittendrin, den Sex sofort zu beenden.

Was ist Fairness?

Gegenseitiger Konsens ist das wichtigste Kriterium für überhaupt jede soziale Handlung zwischen Menschen, um eine Handlung von einem Übergriff oder Gewalt zu unterscheiden (das schließt natürlich psychische Gewalt – Erpressung, Slutshaming, Verleumdung, usw. – ausdrücklich mit ein).

Sex (Ebene 3 auf der Näheskala) ist jedoch voraussetzungsvoller als der alltägliche Umgang miteinander (Ebene 2 auf der Näheskala), der nur auf Konsens fußt. Für Sex zwischen Menschen, der von allen Beteiligten als positiv und erfüllend erlebt wird, müssen die Beteiligten nicht nur den gegenseitigen Konsens klären, sondern sich auch untereinander fair verhalten.

Fairness bedeutet im Wesentlichen, mit dem Gegenüber so umzugehen, wie es der Wunsch wäre, selbst von diesem Gegenüber behandelt zu werden.

Dieses Prinzip heißt „Goldene Regel“ und ist die Grundlage von vielen konstruktiven Konzepten über zwischenmenschliches Miteinander. Eine andere Formulierung davon ist ein Kinderreim:

„Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg auch keinem Anderen zu.“

Natürlich funktioniert Fairness nur, solange sich alle beteiligten Menschen fair verhalten. Befindet sich in der Situation ein ignoranter Mensch, dier sich unfair verhält oder sogar ein Arschloch, das mit Gewalt die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse erzwingen will, macht das die Situation selbst nicht mehr fair. Die Unfairness wiegt noch stärker, wenn jener Mensch vom fairen Gegenüber weiterhin faires Verhalten einfordert, selbst jedoch nicht einmal daran denkt, dasselbe zu tun. Der unfaire oder übergriffige Mensch stellt so eine neue zwischenmenschliche Ebene her – die Ebene 1 auf der Näheskala (Feindschaft). Die empfohlenen Verhaltensweisen für das Gegenüber sind dann die jeder Kampfsportart: Abweisen, Abblocken, Weggehen oder schlimmstenfalls Gewalt zur Selbstverteidigung.

Wie bahne ich Sex fair an? / Wie borge ich mir fair Duschgel aus?

An wen richtet sich der Artikel?

Welche Orientierungen, Rollen, oder Geschlechter der Artikel anspricht
Sexuelle Orientierung(en): heterosexuell, heterosexuell lebend wenn bisexuell
Romantische Orientierung(en): heteroamor, heteroamor lebend wenn biamor
Geschlecht(er): alle
Wer ist mit Frau und Mann gemeint?
  • Frau steht für Mensch mit Vulva, überwiegend in der Rolle „Frau“,
  • Mann steht für Mensch mit Penis, überwiegend in der Rolle „Mann“
Erweiterbar auf:
  • Mensch in der Rolle „Frau“ wünscht sich Sex mit einem Menschen in der Rolle „Mann“,
  • und umgekehrt,
  • alle sexuellen und romantischen Orientierungen

Eine Frau und ein Mann duschen sich in einer Gemeinschaftsdusche. Beide sind sich zuvor nicht unangenehm aufgefallen und finden sich grundsätzlich attraktiv und sympathisch genug. Die Stimmung ist entspannt. Der Mann fragt die Frau freundlich, ob er ihr Duschgel ausborgen und mitbenutzen könnte.

Szenario 1: Sie borgt ihm ihr Duschgel, beide seifen sich ein, beide genießen das Duscherlebnis, der Mann sagt freundlich „Danke“ und gibt der Frau das Duschgel zurück. Beide freuen sich über die freundliche soziale Interaktion.

Szenario 2: Sie überlegt kurz, lehnt dann aber freundlich ab. Der Mann akzeptiert ihre Entscheidung ohne Jammern und widmet sich weiter seiner Dusche. Eventueller Small-Talk.

Szenario 3: Sie borgt ihm ihr Duschgel, beide seifen sich ein und duschen sich gemeinsam, aber irgendetwas passt in der Stimmung nicht. Der Mann dreht sich nach dem Duschen plötzlich um und sagt: „Borgst du dein Duschgel jedem Mann, der dich einfach so fragt? Wäh, du bist so grauslig! Hier hast du dein Gel zurück, du Schlampe!“

Szenario 4: Sie nimmt ihr Duschgel und entfernt es so weit wie möglich aus der Griffweite des Mannes. Danach fährt sie ihn an: „Was soll das? Wie kommst du dazu, mich nach so etwas zu fragen?! Mein Duschgel teile ich nur mit einem besonderen Menschen! Und du Perversling bist das definitiv nicht! Lass mich gefälligst in Ruhe duschen!“

Szenario 5: Sie überlegt kurz, lehnt dann aber freundlich ab. Der Mann fragt noch mehrere Male nach und beginnt, die Frau zu bedrängen. Schließlich versucht er, ihr Duschgel aus ihrer Hand zu reißen, worauf sie entsetzt davonläuft.

Jetzt ersetzen wir das Duschgel in allen Szenarien durch den Körper der Frau.

Die Szenarien 1 und 2 beschreiben eine Situation mit Konsens und Fairness bei der Anbahnung von Sex 😀

Die Szenarien 3 und 4 beschreiben eine ignorante / unfaire Situation bei der Anbahnung von Sex 🙁

Und Szenario 5 beschreibt eine unfaire und nichtkonsensuelle Begegnung, also einen Übergriff / eine Gewalttat.

Szenario 3 zeigt Slutshaming von Männern an Frauen und damit den systemischen Anteil von Männern an der Entstehung von Rape Culture.

Szenario 4 zeigt Slutshaming von Frauen an Männern und damit den systemischen Anteil von Frauen an der Entstehung von Rape Culture. Mehr dazu unter:

Wie habe ich fairen Sex?

  1. Freundliche oder höfliche Anbahnung des sexuellen Wunsches
  2. Zuerst durch verbale, dann durch nonverbale Kommunikation Konsens suchen
  3. Eigene sexuelle Bedürfnisse ehrlich aussprechen und diese selbstständig anstreben.
    Keine Information zu geben, worauf ich gerade Lust habe, und danach dem Gegenüber vorzuhalten, nichts für meine Lust getan zu haben, fällt nämlich unter unfaires Verhalten.
  4. Bei Unklarheiten freundlich nachfragen
  5. Mit dem Gegenüber verhandeln, bis Lösungen gefunden sind, mit denen sich alle Beteiligten sicher und wahrgenommen fühlen und sich lustvolle Erlebnisse für alle erzeugen lassen. Das klingt kompliziert, ist aber oft bereits durch kurze Dialoge machbar:

Mensch A: „Möchtest du diese Stellung ausprobieren?
Mensch B: „Ja, voll! Aber ich brauche einen Polster zum Drauflegen.“
Mensch A: „Hier. Kann ich dir damit helfen?“
Mensch B: „Nein, hab schon, kannst loslegen!“

Mensch A: „Würde es dir gefallen, wenn ich dich lecke?“
Mensch B: „Nein, da stehe ich nicht so drauf…aber kannst du mich stattdessen fingern?“
Mensch A: „Ja, können wir machen!“