Im Mainstream – Teil 1/6: Was – oder wer – ist das?
Der Mainstream bezeichnet eine Gruppe von Menschen in der eurozentrischen/westlichen Gesellschaft (und weiteren Gesellschaften), die durch ihre Anpassung an soziale Erwartungen die Unterdrückung von (insbesondere weiblicher) Sexualität befeuern. Da sie die Mehrheit an der Gesamtbevölkerung stellen, sind sie die Hauptquelle für die Entstehung und Aufrechterhaltung der patriarchalen Irrglauben und Lügen – also des Patriarchats.
Die gegenwärtige feministische Literatur hat für diese Gruppe die neutrale Bezeichnung heteronormativer Mainstream oder heteronormative Mehrheitskultur entwickelt:
- Hetero, weil die bevorzugte Orientierung in dieser Mehrheitskultur heterosexuell und heteroromantisch ist, weswegen Menschen mit einer homosexuellen und homoromantischen Orientierung negative Reaktionen erfahren.
- Normativ, weil sich die betreffenden Menschen an den Werthaltungen der Mehrheit – den Normen – orientieren, um ihr Leben daran anzupassen, und dies auch von ihrer Umgebung verlangen.
- Mainstream (engl. Strömung), weil die Mehrheit der Menschen wie Wasser in einem Fluss in dieselbe Richtung treibt.
Seit es einen solchen Mainstream gibt, haben Menschen andere Lebensweisen angestrebt und ausprobiert – zahlenmäßig waren diese jedoch immer der Mehrheit unterlegen. Wenn genügend Menschen mit ähnlichen Interessen aufeinander treffen, entsteht oft eine Subkultur (lateinisch sub = unter) oder alternative Szene (lateinisch alter = anders), wo bereits die Wortherkunft darauf zeigt, dass die zugehörigen Menschen eine Minderheit innerhalb einer Mehrheitskultur darstellen. Aktuelle Beispiele für diese Lebensweisen sind alternative Sexualität in Form von Swingen oder BDSM, und das alternative Beziehungsmodell Polyamorie.
Menschen mit Lebensweisen, die so zentrale Themen wie Sex und Liebe anders handhaben, stellen damit den Mainstream selbst infrage, und stoßen dadurch bei Menschen, die ihr Leben den Meinungen der Mehrheit angepasst haben, meistens auf negative Reaktionen: Unverständnis und Unsichtbarmachung sorgen dafür, dass sich alternative Menschen als „die einzigen“ vorkommen, sich einsam fühlen, und keine Sprache und Möglichkeiten haben, über ihre Bedürfnisse zu reden oder Gleichgesinnte zu finden. Je nach Aufenthaltsort können auch Diskriminierung, alltägliche Gewalt oder sogar Verfolgung hinzukommen.
Wenn sich dann Menschen mit ähnlichen Interessen in einer Subkultur zusammengefunden haben, sind diese oftmals wütend über ihre Erfahrungen im Mainstream. Nicht wenige wurden nach dem Versuch, ihre Lebensweise offen zu leben von ihrem vorigen Freundeskreis fallen gelassen, andere mussten als Reaktion sogar Gewalt von ihren eigenen Eltern oder ihren Verwandten erfahren. Aus diesem Grund möchten sich viele Menschen in einer Subkultur auch in der Sprache bewusst von der Mehrheitskultur abgrenzen. Daher hat fast jede Subkultur abwertende Bezeichnungen für den Mainstream hervorgebracht, die oftmals auch die – im Vergleich zur Subkultur – einschränkenden Denkmuster betonen: Spießbürger, Spießer, Kleinbürger, Establishment, Normalos, Muggel (wie die nicht-magischen Menschen der Harry Potter-Geschichten), oder Stinos (ein_e Stino, mehrere Stinos, steht für stinknormale Menschen).
Auf meinem Blog verwende ich allerdings die neutrale Bezeichnung – also heteronormativer Mainstream, oder einfach Mainstream.