Wie funktioniert eine sexuell offene Beziehung? – Teil 3/4: Praxis

An wen richtet sich der Artikel?

Welche Orientierungen, Rollen, oder Geschlechter der Artikel anspricht
Sexuelle Orientierung(en): alle
Romantische Orientierung(en): alle
Geschlecht(er): alle
Wer ist mit Frau und Mann gemeint?
  • Frau steht für Mensch mit Vulva, überwiegend in der Rolle „Frau“,
  • Mann steht für Mensch mit Penis, überwiegend in der Rolle „Mann“
Erweiterbar auf:

Ihr habt viel über eure Sexualität, euch als Paar, eure Wünsche und eure Ängste geredet. Ihr habt euch gegenseitig eure Fantasien beim Sex zu zweit erzählt und fandet die Vorstellungen geil. Nun wollt ihr eure Fantasien in die Realität umsetzen:

Sucht nach Swingen im Internet. Lest euch die Bewertungen von verschiedenen Swingerclubs auf verschiedenen Webseiten durch.

Sucht auf den Webseiten von Swingerclubs und erotischen Lokalen nach „Umgangsformen“, „Benimmregeln“, „Verhaltenskodex“, „Code of Conduct“ u. Ä. Solche Verhaltensregeln richten sich in erster Linie an Hetero-Männer, weil diese aufgrund der Rolle „Mann“ eher zu ignoranten und unfairen Verhaltensweisen beim Sex neigen – die Umgangsformen gelten jedoch genauso für Frauen und weitere Geschlechter.

Bietet die Webseite eines Lokals oder Events so etwas nicht an, geht nicht hin, egal wie spannend das Angebot klingt. Die ungeschriebenen Regeln über sexuelle Anbahnung im Alltag gelten hier nicht mehr, sie wurden aber auch nicht durch neue Regeln ersetzt. Als Ergebnis kennen sich die meisten Teilnehmenden nicht aus, und einige probieren einfach „was geht“. Aus diesem Grund sind solche Räume für Anfänger_innen unsicher und anstrengend zu navigieren. Selbst erfahrene Swinger_innen treffen in solchen Räumen eher keine neuen Menschen, sondern bringen ihre woanders (= in Räumen mit Verhaltensregeln!) sorgfältig ausgewählten Sexkontakte mit und bleiben dann unter sich.

Besucht gemeinsam einen Swingerclub mit guten Bewertungen, schaut euch den Umgang der Menschen untereinander an und redet mit euch sympathischen anwesenden Menschen. Um ins Gespräch zu kommen, reicht meistens eine freundliche Vorstellung mit dem Vornamen. Bei Unsicherheit über die Verhaltensregeln könnt ihr jederzeit nachfragen – erfahrene Swinger_innen sind gesprächig, und teilen ihr Wissen gerne. Lasst euch Tipps geben und tauscht Erfahrungen aus. Solche Erkundigungen sind außerdem eine gute Möglichkeit zum Beschnuppern von attraktiven Menschen, mit denen ihr euch Sex vorstellen könnt.

Die absoluten Grundanforderungen sind:

  • Alles kann, nichts muss!
  • Nein heißt Nein!
  • Vielleicht heißt Nein (Aber du kannst später nochmal fragen)!

Leider gibt es auch in Swingerclubs ungute oder übergriffige Menschen (insbesondere Männer) im Sinne der Rape Culture – allerdings weit weniger als beim Fortgehen im Mainstream. Meldet Menschen, die ein deutliches „Nein“ von euch ignorieren, oder jemanden von euch gezielt zu überrumpeln versuchen, sofort dem Personal – dieses ist verantwortlich, derartige Menschen aus dem Lokal zu schmeißen! Reagiert das Personal nicht oder ist überfordert, verlasst den Club und schreibt eure (negative) Bewertung ins Internet.

Habt ihr im Club oder auf einem Swingerportal im Internet attraktive Menschen gefunden, tauscht euch kurz aus, ob der Mensch/das Pärchen/Mehrere wirklich für euch beide passt. Wenn ihr euch untereinander einig seid, setzt euch in einem Swingerclub auf ein Getränk zusammen und schlagt eure Wünsche direkt vor.

Unerfahrene Swinger_innen erzählen dabei gerne einen Roman über ihr Berufsleben oder ein anderes Thema, bevor sexuelle Wünsche drankommen. Das ist ein Zeichen der gesellschaftlichen Prägung, dass gegenseitiges sexuelles Interesse und nichts darüber hinaus die Beteiligten „herabwürdigen“ würde. Dieser Glaubenssatz ist ein Teil von gleich mehreren patriarchalen Lügen – und somit Bullshit.

Bleibt höflich und freundlich und schlagt eure Wünsche ohne Umwege euren Gegenübern vor. Die meisten trauen sich selbst nicht, das Thema anzusprechen und sind froh darüber, wenn jemand Anderes das Eis bricht.

Beispiele:
  • „Ich würde es geil finden, wenn du …“
  • „Kann ich deine Brüste anfassen?“
  • „Ich würde dir gerne einen wichsen.“
  • „Möchtest du mich ficken?“

Reagieren eure Gegenüber auf eure Wünsche ungut, pikiert oder eckig, aber ohne ein deutliches Nein, hat das selten etwas mit dem Inhalt eurer Fantasien zu tun – sondern die angesprochenen Menschen haben wahrscheinlich einen Konflikt mit sich selbst oder untereinander. Reagieren sie mit Nein, ist das ein Nein. In beiden Fällen gilt: Verabschiedet euch höflich und sucht euch andere attraktive Menschen.

Sobald verbal Kontakt hergestellt ist, kann ebenso viel über nonverbale Kommunikation passieren: Jemand beginnt dich am Oberschenkel zu streicheln und wandert bei positiver Reaktion zu deinem Intimbereich, oder hört bei ablehnender Reaktion auf und schlägt etwas Anderes vor oder verabschiedet sich.

Nun ist es soweit:

Ihr habt passende Menschen gefunden, die eure Wünsche grundsätzlich teilen. Ihr habt im Swingerclub einen bequemen Ort besetzt. Hier ist es notwendig, Wünsche und Grenzen vor und während sexueller Handlungen sofort und klar zu kommunizieren.

Beispiele:
  • „Ich würde es geil finden, wenn…“
  • „Ich würde gerne … mit dir machen“
  • „Das fühlt sich nicht gut an, können wir stattdessen…“
  • „Mach bitte langsamer/schneller/tiefer/nicht so tief…“
  • „Warte kurz, ich brauche Gleitgel/Gummi/Vibrator/Positionsänderung…“

Diese Hinweise gelten für die Ebene Lust (= Näheskala-Ebene 3). Wie bereits beschrieben, haben Nähehandlungen (Küssen, Kuscheln, Schmusen, Lieb-streicheln) hier nur Platz zwischen euch als Liebesbeziehung, nicht zwischen jemandem von euch und einem „Sex zum Spaß“-Menschen.

Wenn mitten in einer Sex-Situation ein ungutes Gefühl zwischen euch entsteht, brecht die Situation lieber ab, anstatt das Gefühl zu ignorieren – das funktioniert für euch nicht und stört außerdem die Lust von allen Mitmachenden. Signalisiert teilnehmenden Menschen, dass ihr eine Pause zu zweit braucht, und schafft euch eine Ecke, wo ihr gut miteinander reden könnt. Schaut euch an und redet darüber, was eine_n von euch getriggert hat oder was an der Situation nicht passt.

  • Manchmal braucht es einfach eine Versicherung, dass auch in dieser neuen Situation weiterhin gegenseitiges Liebhaben besteht und ein wenig Zärtlichkeit.
  • Manchmal aber wurde ein tieferliegendes Problem freigelegt, dass sich durch ein kurzes Gespräch und eine Umarmung nicht lösen lässt. Dann ist es besser, den Club zu verlassen (Falls die Menschen von vorher auf euch warten: Sagt kurz Bescheid, dass ihr geht), und mit genügend Zeit und Platz unter euch weiter zu diskutieren.