Die Distanzskala – Teil 1/6: Vorstellung des Modells

Ich habe ein Modell entworfen, welches zahlreiche Missverständnisse und Konflikte zwischen zwei Menschen erklärt, die

  • Sex anbahnen,
  • miteinander Sex haben,
  • eine romantische Beziehung anbahnen,
  • oder in einer romantischen Beziehung sind.

Ich nenne das Modell die Distanzskala.

Während es auf der Näheskala darum geht, wie Menschen Vertrauen aufbauen und ehrlich miteinander kommunizieren können, bildet die Distanzskala das Gegenteil ab. Menschen auf der Distanzskala kommunizieren meistens in hässlichen Spielchen und Racheaktionen – je höher die Stufe, desto härter. Ihr gemeinsames Merkmal ist der Glaubenssatz, dass nur stark sein kann, wer (vermeintlich) schwächeren Mitmenschen etwas wegnimmt. Wer diesem Glaubenssatz folgt, bringt immer mehr Distanz und soziale Kälte zwischen sich und alle anderen Menschen.

Die Liebe ist ein seltsames Spiel

Tatsächlich zerlegt die Distanzskala das Patriarchat nach der Transaktionsanalyse in eine Sammlung aus destruktiven Spielen. Die Transaktionsanalyse ist eine Disziplin der Psychologie, die der kanadische Psychotherapeut Eric Berne begründet und in den 1960ern in seinem Buch Spiele der Erwachsenen (im englischen Original Games People Play) veröffentlicht hat.

Ein Spiel, oder besser übersetzt, ein Spielchen, hat den Zweck, Anerkennung oder Aufmerksamkeit von anderen Menschen zu bekommen, ohne dafür eine Gegenleistung zu bringen. Dazu deutet Mensch A eine Gegenleistung an, oder täuscht sogar eine vor, und bekommt dafür eine bestimmte Form von Aufmerksamkeit oder Anerkennung von Mensch B. Will Mensch B diese Gegenleistung dann einlösen, kommt von Mensch A nichts mehr. Diese Art der Kommunikation ist per Definition unfair. Das ist auch ihr Zweck, denn Spielchen dienen der Vermeidung von ehrlicher Kommunikation und echter, energiegebender Nähe. Vor Ehrlichkeit und Nähe hat der_die Spielende nämlich Angst: Das bekannte Unglück fühlt sich einfach sicherer an als das unbekannte Glück.

Die Distanzskala basiert auf den traditionellen Geschlechterrollen, also Sammlungen an un- und halbbewussten Annahmen, Überzeugungen und Verhaltensmustern, die Menschen in einer patriarchalen Kultur anerzogen bekommen. Die gegenwärtige feministische Literatur geht davon aus, dass es genau zwei solche Verhaltensmuster gibt, in denen Frauen und Männer jeweils erzogen werden – diese bezeichne ich als die Rolle „Frau“ und die Rolle „Mann“. Wenn ein Mensch eine dieser Rollen im Alltag un- oder halbbewusst anwendet, produziert das ein von außen deutlich sichtbares Verhalten:

  • Überzeugungen der Rolle „Frau“ produzieren problematische / toxische Weiblichkeit (toxic femininity).
  • Überzeugungen der Rolle „Mann“ produzieren problematische / toxische Männlichkeit (toxic masculinity).

Durch genaue Alltagsbeobachtungen habe ich allerdings festgestellt, dass in diesem Zusammenhang nicht zwei, sondern acht unterschiedliche Verhaltensmuster existieren. Jede Rolle zerfällt nämlich in vier Ausprägungen:

Die vier Verhaltensmuster der Rolle „Frau“ nenne ich:

  • Entitlement Girl,
  • Material Girl,
  • Bitch(prinzessin),
  • Missbrauchstäterin.

Die vier Verhaltensmuster der Rolle „Mann“ nenne ich:

  • Entitlement Guy,
  • Frauenversteher,
  • Traumprinz,
  • Missbrauchstäter.

Die Namen der Stufen sind bewusst plakativ gewählt. Sie folgen der Konvention der Transaktionsanalyse, mit möglichst kolloquialen, „drastischen“ Begriffen einen hohen Erkennungswert beim betroffenen Menschen auszulösen. Darin liegt die Stärke der Distanzskala: Die meisten der beschriebenen Verhaltensweisen sind den betroffenen Menschen großteils unbewusst (was sie nicht weniger destruktiv macht), und können so viel eher bewusst (gemacht) werden. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, welche Überzeugungen und Verhaltensweisen einer schönen, energiegebenden Liebesbeziehung im Weg stehen.

Wie die meisten Spielchen hat die Distanzskala mehrere Härtestufen, die dasselbe Ziel durch eine andere, destruktivere Strategie verfolgen. Daher kommen diese Muster kommen nicht lose vor, sondern bauen als Stufen aufeinander auf.

Die Distanzskala beginnt dort, wo auch das Patriarchat seinen Anfang nimmt: in der Erziehung.

Wenn Eltern und Umfeld eines Kindes sagen, sie erziehen ihr Kind „als Mädchen“ oder „als Bub“, meint das bei den Allermeisten, dass sie das Kind für bestimmte Verhaltensweisen belohnen, andere jedoch bestrafen, mit der einzigen Begründung „weil du ein Mädchen bist“ / „weil das Mädchen nicht machen“ bzw. „weil du ein Bub bist“ / „weil das nichts für Buben ist“. Diese patriarchale Einteilung ist unter dem Begriff Sexismus besser bekannt.

Ein Kind, welches als „Mädchen“ angesprochen wird, entwickelt sich somit über Zeit zu einem Menschen in der Rolle „Frau“. Ein Kind, welches „als Bub“ angesprochen wird, wird hingegen über Zeit zu einem Mensch in der Rolle „Mann“.

Was die Allermeisten allerdings nicht wissen, ist, dass eine solche vollkommen willkürliche Zweiteilung aufgrund des Geschlechts Entitlement, also ungerechtfertigte, unfaire Erwartungen hervorbringt. Weil nämlich ein bestimmtes Geschlecht etwas „darf“, was das andere wiederum „nicht darf“, erhalten die Geschlechter nicht nur unterschiedliche unfaire Nachteile / Pflichten, sondern auch unterschiedliche unfaire Vorteile / Frechheiten. Wenn nun eine Seite gegenüber einem anderen Menschen auf dieser Verteilung mit allen unfairen Vor- und Nachteilen besteht, hat diese Seite eine unfaire Erwartung.

Aus diesem Grund heißt die Stufe 1 der Distanzskala Entitlement Girl bzw. Entitlement Guy.

Die Distanzskala für die Rolle „Frau“

Hier gibt es die volle Distanzskala für die Rolle „Frau“.

Die Distanzskala für die Rolle „Mann“

Und hier die volle Distanzskala für die Rolle „Mann“.

Die Stufen oder: Wie das Patriarchat Menschen kaputtmacht

Die meisten Menschen behalten das anerzogene Verhaltensmuster ihr Leben lang bei. Dieses verinnerlichte Patriarchat verhindert jedoch, Sex und Liebe gesund auszuleben. Daher sind die meisten Menschen mit einem patriarchalen Verhaltensmuster bereits als Jugendliche zahlreichen Lebenssituationen ausgesetzt, die ihre sexuellen und/oder romantischen Wünsche immer wieder beschneiden. Als Erwachsene fühlen sich diese Menschen dann von ähnlichen Situationen angezogen, welche sie wieder unbefriedigt und frustriert zurücklassen.

Da sie bei Sex und Liebe kaum Qualität erlebt haben, setzen sie nun auf Quantität. Daher versuchen viele Menschen an dieser Stelle, das Loch mit mehr Aufmerksamkeit anderer Menschen zu füllen. Die Distanzskala bildet einen solchen Schritt ab, indem der betreffende Mensch entlang der Distanzskala hinaufwandert. Ein Entitlement Girl wird dann zum Material Girl, und ein Entitlement Guy zum Frauenversteher. Das Wechseln von einer Stufe zur nächsten dauert üblicherweise mehrere Jahre. Dabei probiert der betreffende Mensch unbewusst und schleichend Ignoranzen, Spielchen, und Täuschungsmanöver aus der patriarchalen Umgebung aus, bis die neue Stufe im Verhalten sichtbar wird.

Da die gewünschte Aufmerksamkeit nun einfacher „verfügbar“ ist, bringt der Schritt auf die nächste Stufe erst einmal eine Erleichterung. Das Hässliche an dieser Weiterentwicklung ist jedoch, dass sich durch Spielchen nur kurzfristig Aufmerksamkeit erschleichen lässt. Aufmerksamkeit, die alle Beteiligten auch tatsächlich wollen und meinen, also echte, energiegebende Nähe zu anderen Menschen, entsteht dadurch nicht. Im Gegenteil, die energiefressenden Spielchen verstärken das Grundproblem sogar, bis ein erneutes Raufwandern passiert, um mit der unverändert unglücklichen Situation umzugehen.

Jede neue Stufe entsteht also aus den Erfahrungen, Enttäuschungen und Verletzungen der vorherigen. Deshalb ist es nicht möglich, eine Stufe zu überspringen: Jeder Frauenversteher war einmal ein Entitlement Guy, und jede Bitch einmal ein Material Girl. In ausgeprägt patriarchalen Umgebungen können Menschen jedoch besonders schnell die Distanzskala hinaufwandern, sodass sie weniger als ein Jahr auf einer Stufe verbringen. Das kann etwa ein kirchentreues Dorf am Land sein, aber auch ein Stadtbezirk mit Menschen aus Kulturen, welche mehr Patriarchat als die eurozentrische/westliche haben.

Wenn diese Verändung extrem verläuft, kommt am Ende ein Missbrauchstäter oder eine Missbrauchstäterin heraus. Um ihre unmittelbaren Bedürfnisse zu befriedigen, versuchen diese Typen von Menschen nicht einmal mehr zu kommunizieren. Stattdessen setzen sie jede gerade verfügbare Gewalt ein – physische Gewalt wie Drohungen, Nötigungen, Prügeln, Übergriffe oder psychische Gewalt wie Scapegoating, Gaslighting, Victimblaming und Erpressung. Diese Endstufe zeigt: Indem Geschlechterrollen bis zur letzten Konsequenz gelebt werden, bringt das Patriarchat ungefiltert „das Böse“ im Menschen hervor.

Solange die Situation weder großartig besser noch schlechter wird, oder sogar minimale Verbesserungen erfährt, sodass der betreffende Mensch nicht mehr so akut unglücklich ist, stoppt das die Dynamik, und der Mensch verbleibt auf der jeweiligen Stufe.

Ändert derjenige Mensch den eigenen Lebensentwurf hingegen drastisch und erlebt infolge dessen, dass sexuelle und romantische Wünsche befriedigt werden, kann dies sogar bewirken, dass der betreffende Mensch die Distanzskala langsam hinunterwandert: aus einem Material Girl wird wieder ein Entitlement Girl und aus einem Frauenversteher wieder ein Entitlement Guy.

Diese Entwicklung kann sogar soweit gehen, dass der Mensch die Distanzskala weitgehend verlässt. Die „Stufe 0“ ermöglicht dem betreffenden Menschen einen völlig neuen Charakter: einen gesunden Menschen ohne Geschlechterrolle, welcher unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen das Leben aktiv gestaltet, das sie, er oder sier wirklich will.

Die Distanzskala – Teil 2/6: Alle patriarchalen Dynamiken oder: Treffen sich zwei im Patriarchat erzogene Menschen…

Sobald zwei Ausprägungen der Distanzskala aufeinander treffen, entfalten sie eine je nach Schweregrad problematische oder toxische zwischenmenschliche Dynamik – ein Rollenreaktions-Bullshit-Bingo (Danke an Oligotropos für die Wortschöpfung).

Eine Dynamik der Distanzskala wird losgetreten, wenn:

  1. Eine Seite ein unfaires sexuelles oder romantisches Interesse hat: Ein Mensch stellt Sex oder Liebe in Aussicht, und bekommt dafür Aufmerksamkeit, ohne davon etwas einzulösen. Dabei ist es egal, „wer angefangen hat“. Es reicht, wenn lediglich eine Seite das Spielchen fährt, und die andere Seite damit nur in Kontakt kommt. Allerdings läuft die Dynamik natürlich schneller, wenn beide Seiten von vorneherein ein solches unfaires Interesse haben.
  2. Entgegengesetzte Rollen aufeinander treffen: Es braucht einen Menschen in der Rolle „Frau“ und einen Menschen in der Rolle „Mann“. Das liegt daran, dass ein sexuelles oder romantisches Interesse generell nur zwischen Yin und Yang entstehen kann. Die patriarchalen Rollen sind in dieser Betrachtung eine historisch entstandene toxische Kopie dieses Zusammenspiels: Die Rolle „Frau“ ist ein toxisches Yin (ohne den weißen Yang-Punkt), und die Rolle „Mann“ ist ein toxisches Yang (ohne den schwarzen Yin-Punkt).

Aus den beiden Bedingungen ergeben sich dann 10 verschiedene Dynamiken: (vier mal die gleichen vier, minus Duplikate). Diese zehn Situationen entsprechen dann vielzitierten „typischen“ Konflikten und Klischees zwischen Frauen und Männern, die aus eigenen Erfahrungen, Erzählungen anderer und der Popkultur bekannt sein werden.

Dabei stimmt die Rolle zwar oft mit dem Geschlecht überein, jedoch können die Rollen genauso:

  • „vertauscht“ sein: die Frau verhält sich in der Rolle „Mann“, und der Mann in der Rolle „Frau“,
  • zwischen zwei Frauen vorkommen: eine Frau verhält sich in der Rolle „Frau“, ihre Partnerin in der Rolle „Mann“,
  • zwischen zwei Männern vorkommen: ein Mann verhält sich in der Rolle „Mann“, sein Partner in der Rolle „Frau“,
  • alle Geschlechter (Intersex, Transgender, Nicht-binär, etc.) treffen: Wir wurden alle im Patriarchat erzogen, und haben diese Rollen leider verinnerlicht.
Das Patriarchat in der Popkultur

Da die patriarchalen Rollen in jeder patriarchalen Gesellschaft allgegenwärtig sind, sind es ebenso die Ausprägungen der Distanzskala. Daher kommen die typischen Konflikte zwischen zwei Menschen jeder Stufe in den meisten Geschichten, Liedern, Serien, und Filmen vor, deren Handlung Probleme zwischen Menschen abbildet, die Sex anbahnen, miteinander Sex haben, eine romantische Beziehung anbahnen, oder in einer Beziehung sind.

Im Folgenden habe ich daher einige Lieder zusammengetragen, deren Liedtexte und Stimmungen das Aufeinandertreffen der jeweiligen Stufen ziemlich gut beschreiben. Da die Distanzskala ein Modell über toxische Dynamiken ist, handeln natürlich auch die Lieder, welche diese Dynamiken besingen, von Menschen, die Andere ausnutzen, einer unglücklichen Verliebtheit oder Beziehung, oder einer hässlichen Beziehungstrennung.

Alle Lieder gibt es auch als Playlist auf Spotify:

Auch fiktive Charaktere – egal ob aus einem Buch, einer Serie, oder einem Film – eignen sich für eine Zuordnung der Distanzskala. Da ich die bekannten Sitcoms „Friends“, „How I Met Your Mother“, sowie „The Big Bang Theory“ vollständig gesehen habe, nehme ich deren Hauptcharaktere als Beispiel für die Stufen der Distanzskala im Mainstream. Als Kontrast verwende ich die Serie „The L Word“ – eine Produktion über Lesben und deren Subkultur – um zu zeigen, dass die patriarchalen Rollen, und somit die Stufen der Distanzskala, auch abseits des heteronormativen Mainstreams unbeirrt weiterlaufen.

Wissenswertes über Stufe 1:

Die Rollen / Verhaltensmuster Entitlement Girl sowie Entitlement Guy sind in einer patriarchalen Gesellschaft die „Grundeinstellung“ der Geschlechter.

Die patriarchale Rolle „Frau“ und die patriarchale Rolle „Mann“ haben ihre wesentlichen Unterschiede im Herangang an Sex sowie in einer romantischen Beziehung. Typisch für Stufe 1 ist daher, dass sich das Bedürfnis nach Anerkennung und Aufmerksamkeit zentral an (mögliche) Sexkontakte und (mögliche) Beziehungspartner_innen richtet. Allerdings nicht als (gesunde) ehrliche Wunschäußerung, sondern verpackt in unfaire Erwartungen (engl. Entitlement) an das Gegenüber.

Diese Erwartungshaltungen strahlen allerdings auch in Lebensbereiche aus, die auf den ersten Blick nicht hineinpassen: So kann ein Arbeitskollege eine unfaire Erwartung an eine Arbeitskollegin haben, was dann zu einer Ungleichbehandlung einzig und allein aufgrund einer Geschlechterzuordnung (Sexismus) führen kann. Das Vorhandensein dieser Ungleichbehandlung an genau diese Frau kommt allerdings nicht aus „dem System“ – sondern aus der Tatsache, dass der ausführende Mann die Frau unbewusst attraktiv findet. Genauso kann aber auch eine Frau in einer Freundschaft sexistisch sein, zum Beispiel, wenn sie einen befreundeten Mann immer wieder vor unfaire, unerfüllbare Aufgaben stellt, während sie von einer befreundeten Frau viel weniger erwartet. Das kommt genausowenig davon, dass „Frauen eben Ansprüche haben“ – sondern aus der Tatsache, dass sie sich aus der Freundschaft unbewusst „mehr“ erhofft.

Das Patriarchat versteckt sich allerdings in allen zwischenmenschlichen Eigenschaften, die etwas mit Sex oder Liebe zu tun haben. Daher findet sich Patriarchat nicht nur in sexueller und romantischer Anbahnung, egal wie unbewusst und um wie viele Ecken. Sondern in jeder Eigenschaft, die sich dazu eignet, sexuelle oder romantische Attraktivität (oder ein Desinteresse daran) auszudrücken. Darum kennen alle patriarchalen Gesellschaften kaum eine Eigenschaft ohne Geschlechterzuordnung: Es gibt erwartete Kleidung, Ausdrucksweise, Freizeitgestaltung, usw. Dabei kann jede dieser Eigenschaften ein Entitlement / eine unfaire Erwartung auslösen: das Gegenüber möge sich gefälligst genau so (!!!) kleiden, ausdrücken, beschäftigen! Daher hat sowohl ein Entitlement Girl als auch ein Entitlement Guy wahrscheinlich hunderte solcher Entitlements, mit noch einmal hunderten Variationen je nach Kultur, sozialer Schicht, und Lebensgeschichte.

Fiktive Entitlement Girls:

The Big Bang Theory: Penny

Friends: Phoebe Buffay

The L Word: Tina Kennard

Entitlement Girl singt über sich selbst:

Shakira – Underneath Your Clothes

Christina Aguilera – Genie In a Bottle

Sugababes – Push The Button

Spice Girls – Wannabe

Shania Twain – I’m Gonna Get Cha Good

Fiktive Entitlement Guys:

The Big Bang Theory: Howard Wolowitz

Entitlement Guy singt über sich selbst:

Aus der Serie „American Dad!“, Staffel 1, Episode 12: Stan (Seth MacFarlane) – I Want A Wife (Not A Partner)

Stufe 1 trifft auf Stufe 1:

Hier trifft eine typische Frau auf einen typischen Mann, also ein Entitlement Girl auf einen Entitlement Guy (oder umgekehrt). Beide fahren jeweils eine anerzogene Doppelmoral: Jede Seite hat für die eigene Rolle typische, unfaire Erwartungen an das Gegenüber, das diese sofort, ohne Gegenleistung, und am besten noch freudig erfüllen soll.

Ein Entitlement Girl erwartet etwa, dass ihr der Mann jedes ihrer Bedürfnisse von den Augen abliest und sofort erfüllt, noch bevor sie etwas sagen müsste. Ein Entitlement Guy möchte hingegen, dass sich die Frau jede seiner häufigen Jammertiraden vollständig anhört, und dann die Ursache der Beschwerden sofort erleichtert.

Entitlement Girl singt über Entitlement Guy:

Barbara Schöneberger – Das bisschen Haushalt

Aretha Franklin – Respect

Entitlement Guy singt über Entitlement Girl:

Robin Thicke, Pharrell Williams – Blurred Lines

Wissenswertes über Stufe 2:

Ein Material Girl oder Frauenversteher auf Stufe 2 hat unbewusst die eigenen Prioritäten verlagert. Während auf Stufe 1 noch Aufmerksamkeit und Anerkennung des sexuellen Interesses oder Beziehungspartners am wichtigsten sind, geht es auf Stufe 2 aufgrund der Enttäuschungen zu zweit hauptsächlich um die Anerkennung von möglichst vielen anderen Menschen. Daraus erklären sich alle typischen Verhaltensweisen der Stufe 2: Die unbedingte Anpassung an die Erwartungen der Mehrheit des sozialen Umfelds, sowie die Tendenz zu heimlichen Flirts oder einer heimlichen Affäre:

  • viel Anerkennung auf einmal des neuen Menschen,
  • Rache für die fehlende Anerkennung des_der Beziehungspartner_in,
  • die Möglichkeit, Menschen zu „testen“, die für dieselbe Anpassung mehr Aufmerksamkeit „bezahlen“ – als Reserve, falls die vorhandene Beziehung nicht mehr genügend liefert,
  • Heimlichkeit, damit die Anerkennung der (sexuell geschlossenen) Mehrheit weiterhin passiert.
Fiktive Material Girls:

The Big Bang Theory: Amy Farrah Fowler

Friends: Monica Geller, Rachel Green

The L Word: Alice Pieszecki

Material Girl singt über sich selbst:

Madonna – Material Girl

Timna Brauer – Chesterfield Girl

Fiktive Frauenversteher:

The Big Bang Theory: Leonard Hofstadter

Friends: Chandler Bing, Ross Geller

How I Met Your Mother: Marshall Eriksen

The L Word: Bette Porter, Helena Peabody

Frauenversteher singt über sich selbst:

Udo Jürgens – Ich war noch niemals in New York

Fettes Brot – Jein

Seeed – Ding

Stufe 1 trifft auf Stufe 2:

Ein Mensch hat die Entitlements des Gegenübers langsam satt. Ständig herrscht schlechte Stimmung oder hagelt es Vorwürfe – nie kann er_sie es Recht machen. Um auch mal Ruhe zu haben, beginnt der Mensch, immer öfter nachzugeben, also dem Entitlement Girl / Entitlement Guy nicht mehr zu widersprechen, und „für einen netten Abend“ oder „für den Hausfrieden“ zu tun, was gerade eben verlangt wird – und rutscht damit auf Stufe 2, wird also zu einem Material Girl oder Frauenversteher.

Wer jetzt meint, dass auch mal nachgeben zu können wichtig für eine Beziehung ist, hat Recht. Doch hier gibt immer nur der Mensch auf der Stufe 2 nach, während der Mensch auf Stufe 1 die völlige Erfüllung seiner (von vorneherein unfairen) Erwartungen bekommt. Dadurch hat Stufe 2 zwar kurzfristig Ruhe, weil Stufe 1 ausnahmsweise mal zufrieden ist. Mittelfristig wird Stufe 2 jedoch immer unzufriedener, da die eigenen Bedürfnisse dauernd zu kurz kommen. Stufe 2 beginnt daher, eine Gegenleistung zu erpressen, indem er_sie das zentrale Bedürfnis des Gegenübers nur gegen „Bezahlung“ im Voraus erfüllt: Ein Material Girl hat nur dann Sex, wenn er ihr etwas Schönes gekauft hat, oder sie zusammen einen romantischen Film gesehen haben. Ein Frauenversteher geht nur dann auf ein Date, oder kuschelt ausgiebig, wenn sie mal wieder einen Blowjob springen ließ.

Material Girl singt über Entitlement Guy:

Lucilectric – Mädchen

Barbara Schöneberger – Männer muss man loben

Tammy Wynette – Stand By Your Man

Frauenversteher singt über Entitlement Girl:

Reinhard Mey – Noch’n Lied

Revolverheld – Ich lass für dich das Licht an

Georg Danzer – I bin a Kniera (Die goldene Kniescheibe)

Bodo Wartke – Ja, Schatz! (Inhaltswarnung: graphische Schilderung einer Mordfantasie)

EAV – Einmal möchte ich ein Böser sein

Für Stufe 1 erscheint Stufe 2 vorerst als ein angenehmer, netter Mensch, der Bedürfnisse sofort erfüllt, im Gegensatz zu anderen Menschen auf Stufe 1, die ständig die Wünsche des Gegenübers ignorieren, und ihre eigenen unfair einfordern. Deshalb fühlen sich Menschen auf Stufe 1 sexuell und romantisch eher zu Menschen auf Stufe 2 als zu ihrer eigenen Stufe hingezogen. Nach einiger Zeit begreift Stufe 1 jedoch, dass die eigenen Wünsche nur dann erfüllt werden, wenn er_sie einen Vorschuss auf ein „Konto“ eingezahlt hat (in Form von Zeit, Sex, Rechnungen bezahlen, etc.).

Wenn Stufe 1 genügend gesunde Anteile hat, konfrontiert er_sie an dieser Stelle bald den Menschen auf Stufe 2. Dadurch fliegen nicht selten dessen Heimlichkeiten bis hin zu einer heimlichen Affäre auf. Wenn Stufe 2 einen Menschen an der Angel hat, der_die mehr Vorschuss für dieselbe Anpassung liefert, verlässt Stufe 2 an dieser Stelle Stufe 1 „für die Affäre“.

Entitlement Guy singt über Material Girl:

Kanye West, Jamie Foxx – Gold Digger

CeeLo Green – F*ck you

Entitlement Girl singt über Frauenversteher:

JoJo – Leave (Get Out)

Rihanna – Take a Bow

Haben Stufe 1 und Stufe 2 hingegen weiter Sex oder eine Beziehung, versucht Stufe 1, den Misstand auszugleichen, indem er_sie ebenfalls nur gegen einen Vorschuss Aufmerksamkeit hergibt – und wandert dadurch ebenfalls auf Stufe 2.

Stufe 2 trifft auf Stufe 2:

Beide Menschen haben in der Beziehung als wichtigstes Ziel die Anerkennung der Mehrheit ihres sozialen Umfelds. Daher befinden sich zwei Menschen auf Stufe 2 in einem ständigen Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit anderer Menschen: Ein Material Girl setzt Sex ein, damit er ihr etwas Schönes kauft, das sie dann ihren neidischen Freundinnen, Arbeitskolleginnen oder Nachbarn stolz präsentieren kann. Ein Frauenversteher setzt romantische Aufmerksamkeit und Geld ein, damit sie sich genauso kleidet und verhält, damit ihn seine Kumpels, Arbeitskollegen, oder Nachbarn um seinen „Fang“ beneiden. Natürlich eignet sich dafür jedes andere Statussymbol, wie der tolle Job, den er haben muss, oder das schöne Haus, das sie einrichtet, etc. Um die persönlichen Bedürfnisse der beteiligten Menschen geht es fast nie.

Material Girl singt über Frauenversteher:

Black Eyed Peas – My Humps

Peggy Lee – Big $pender

Frauenversteher singt über Material Girl:

Die Prinzen – Alles nur geklaut

Frauenversteher und Material Girl singen übereinander:

Big Brovaz – Favourite Things

Aus der Serie „Buffy the Vampire Slayer“, Staffel 6, Episode 7 (die Musical-Folge):
Xander (Nicholas Brendon) and Anya (Emma Caulfield) – I’ll Never Tell

So steigt die Frustration, bis die Beteiligten mehr nebeneinander als miteinander leben. Aus Sicht der Umgebung sind solche Paare oft das perfekte Paar, dessen Beteiligte aus Sicht der Umgebung „alles (erreicht) haben“. Aus diesem Grund kommt es für Freunde und Bekannte meistens überraschend, wenn dieses Paar eines Tages in einen heftigen Beziehungskrach ausbricht – entweder über all die verschwiegenen Bedürfnisse, oder weil eine heimliche Affäre aufgeflogen ist.

Der häufigste Ausgang dieses Beziehungskrachs ist eine hässliche Beziehungstrennung, weshalb es genau über dieses Szenario bekannte Lieder gibt:

Material Girl singt über Frauenversteher:

Gitte Haenning – Ich hab geglaubt, du bist verliebt

Frauenversteher singt über Material Girl:

Sunrise Avenue – Fairytale Gone Bad

Frauenversteher und Material Girl singen übereinander:

Gotye and Kimbra – Somebody That I Used To Know

Haben Stufe 2 und Stufe 2 hingegen weiter Sex oder eine Beziehung, kann das in zwei Dynamiken münden:

Wenn beide Menschen auf Stufe 2 genügend gesunde Anteile haben, kann eine solche Krise eine Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen bewirken, etwa in eine Paartherapie nach einer Affäre und eine bessere Kommunikation über eigene Wünsche in der Beziehung. Dadurch wandern beide Beteiligte üblicherweise zurück auf Stufe 1.

Gefährlich wird es jedoch, wenn eine Seite auch aufgrund vorheriger negativer Erfahrungen in Beziehungen emotional so enttäuscht ist, dass er_sie dem Gegenüber nicht mehr vertraut. Der Mensch hat schließlich x-mal erlebt, dass eine „Einzahlung“ den zugrundeliegenden Wunsch nicht erfüllte, oder dass das Gegenüber die Erfüllung in einer Art „erledigte“, dass es den Aufwand nicht wert war. Wozu sich also noch anstrengen – „Liebe geht doch nur im Film gut aus!“.

Fortan zeigt dieser Mensch bei Andeutungen einer möglichen Wunscherfüllung oder Forderungen nach einer „Einzahlung“ die kalte Schulter, und wird so für Wünsche emotional unerreichbar. So ein Mensch arbeitet dann nicht an der Beziehung – „Man wird eh nur ausgenutzt!“ – trennt sich aber auch nicht – „Es sind doch alle so!“. Das verbliebene Gegenüber auf Stufe 2 hat damit die Hauptquelle an Aufmerksamkeit verloren – und kommt, sobald es bedürftig ist, auch ohne „Einzahlung“ angekrochen. Damit „gewinnt“ der enttäuschte Mensch das Spielchen von Stufe 2 – wandert dadurch jedoch auf Stufe 3.

Wissenswertes über Stufe 3:

Einem Menschen auf der Stufe 3, also einer Bitch oder einem Traumprinzen, geht es zwar immer noch um die Anerkennung möglichst vieler Menschen, jedoch gestalten diese die Suche nach Anerkennung „effizienter“: Die Meinung der Mehrheit des sozialen Umfelds ist nur solange wichtig, bis sich ein Opfer findet, welches sich durch Manipulationen leicht ausbeuten lässt, also für möglichst wenig Aufwand möglichst viel Aufmerksamkeit zur Verfügung stellt.

Im sozialen Umgang tragen sowohl Bitch als auch Traumprinz eine „Maske“: Sie sagen oder machen ganz genau das, was das Gegenüber ihrer Einschätzung nach hören will, und bekommen damit im Vergleich zu den unteren Stufen schnell viel Interesse, Bewunderung, oder einfach Aufmerksamkeit. Die Manipulation gelingt, weil die „Maske“ die Bedürfnisse des tragenden Menschen versteckt oder verschleiert. Dadurch bleibt eine leere „Leinwand“ übrig, auf die ein unbefriedigtes, unglückliches Gegenüber die Bereitschaft zur Erfüllung der dringendsten eigenen sexuellen oder romantischen Wünsche projeziert.

Bei einem anfälligen Gegenüber äußert sich diese Projektion als Idealisierungsfantasie: Der Mensch auf der Stufe 3 ist dann plötzlich „sooo toll“ oder „sooo interessant“, ohne dass dieser Mensch irgendetwas Tolles oder Interessantes getan hätte. Wenn sich die Menschen bereits kennen, lassen sich für Außenstehende bei Stufe 3 sogar eindeutig ungute und verletzende Reaktionen erkennen, die sich der betroffene Mensch mit der Idealisierung üblicherweise wegerklärt. Je kompatibler die Menschen hinsichtlich Erziehung und Werthaltungen sind, desto konkreter kann die Idealisierungsfantasie werden. Deshalb haben für Idealisierungen anfällige Menschen üblicherweise einen „Typ“, und „verfallen“ nicht automatisch jedem Menschen auf Stufe 3.

Die Dynamik zwischen einer Frau auf Stufe 1 (Entitlement Girl) oder Stufe 2 (Material Girl) und einem Mann auf Stufe 3 (Traumprinz) ist darüber hinaus einer der Grundpfeiler des Patriarchats, weil sie bei Frauen die Rolle „Frau“ mit der Unterdrückung von sexuellen Bedürfnissen, und bei Männern die Rolle „Mann“ mit der Unterdrückung von emotionalen Bedürfnissen exponentiell verstärkt.

Für Männer, die keine Traumprinzen sind, ist diese Dynamik oft völlig unverständlich: „Ich würde eine Frau niemals so behandeln! Warum läuft sie diesem Arschloch nach??“

Ein Mann singt über einen Traumprinz auf Stufe 3:

Wolf Bachofner – Der schöne Heinrich

Dieser Frage habe ich daher einen eigenen Artikel gewidmet: Warum stehen Frauen auf Arschlöcher?

Hinter der Maske

Diese Dynamik ist jedoch nicht nur für den Menschen mit einer Idealisierungsfantasie toxisch. Menschen auf Stufe 3 „verlieren ihre Seele“, bis sie bald selbst nicht mehr wissen, was jetzt Maske, und was sie selbst sind. Solche Menschen suchen dann in anderen Menschen, was sie in sich selbst nicht mehr finden: Selbstwertgefühl, Sinn, Identität, etc. Das macht Menschen auf Stufe 3 völlig abhängig von der „richtigen“ Aufmerksamkeit anderer Menschen, welche sie sich „organisieren“, indem sie ihr soziales Umfeld immer härter kontrollieren.

Da Maske und Machtspielchen viele emotionale Ressourcen fressen, ist Stufe 3 ständig auf der Suche nach einer „billigeren“ Aufmerksamkeitsquelle. Sobald ein Mensch zu „aufwändig“ wird, indem er_sie Stufe 3 hinterfragt, oder gar die Versprechungen der „Maske“ einfordert, verschwindet Stufe 3 schlagartig, um die gesuchte Aufmerksamkeit woanders zu konsumieren. In einer Beziehung versprechen Menschen auf Stufe 3 daher gerne Bindung (das bringt die wertvollste Form von Aufmerksamkeit) und verweigern sie im Anlassfall („Was, du bist krank? Nein, ich hab gerade keine Zeit.“). Oder beenden sogar plötzlich die Beziehung, nur um wenig später (ohne andere Aufmerksamkeitsquelle) wieder zurück zu wollen. Solche Aktionen bezeichnen Menschen auf Stufe 3 dann gerne als „erwachsen“, „unabhängig“, oder „Freiheit“.

Fiktive Bitches:

The Big Bang Theory: Bernadette Rostenkowski

How I Met Your Mother: Lily Aldrin, Robin Scherbatsky

The L Word: Jenny Schecter (am Anfang der Serie)

Bitch singt über sich selbst:

Icona Pop – I Love It

Aus dem Musical „Cabaret“: Sally Bowles  – Mein Herr

Ariana Grande – Thank U, Next

Nelly Furtado – I’m Like a Bird

Anouk – Nobody’s Wife

Fiktive Traumprinzen:

Friends: Joey Tribbiani

How I Met Your Mother: Barney Stinson, Ted Mosby

The L Word: Shane McCutcheon, Eva „Papi“ Torres

Traumprinz singt über sich selbst:

David Lee Roth – Just a Gigolo / I Ain’t Got Nobody

Genesis – I Can’t Dance

Metallica / Bob Seger – Turn the Page

The Who / Limp Bizkit – Behind Blue Eyes

The Verve – Bitter Sweet Symphony

Stufe 1 trifft auf Stufe 3:

Ein Traumprinz oder eine Bitch kann durch die „Maske“ bei einem anfälligen Menschen auf Stufe 1, also einem Entitlement Girl oder Entitlement Guy, eine Idealisierungsfantasie auslösen. Da Menschen auf Stufe 1 ihre Bedürfnisse zumindest irgendwie mitteilen, wenn auch in einer unfairen Art, bekommen sie diese auch öfter erfüllt. Sie sind daher nicht so unglücklich wie Menschen auf höheren Stufen, wodurch die Idealisierungsfantasie nicht voll anfährt.

Für Stufe 1 reagiert Stufe 3 durch das typische „Komm her – geh weg“-Spielchen immer wieder unvorhersehbar, und erscheint dadurch als „erfahren“, „interessant“, oder einfach „anders“ – im Gegensatz zu anderen Menschen auf Stufe 1, die immer die gleichen ignoranten Manöver probieren. Dann gibt es aber noch Menschen auf Stufe 2, die nett und angenehm wirken, im Gegensatz zu den „Launen“ von Stufe 3. Deshalb fühlen sich Menschen auf Stufe 1 erst einmal sexuell und romantisch zu Menschen auf Stufe 2 hingezogen.

Nach einiger Zeit jedoch langweilt sich Stufe 1 mit Stufe 2, und zwar sobald Stufe 2 durch die immer gleichen „Ja, Schatz“-Reaktionen ebenfalls vorhersehbar wird. An dieser Stelle findet Stufe 1 einen unvorhersehbaren Menschen auf Stufe 3 plötzlich ungeheuer interessant. Im Gegensatz zu Stufe 2 fühlt sich Stufe 1 zwar hingezogen, merkt aber irgendwie, dass „etwas nicht stimmt“. So kann es passieren, dass er_sie „rausfällt“, und das ungute Verhalten von Stufe 3 eine Zeit lang unattraktiv findet, bevor er_sie wieder „reinfällt“ und erneut Stufe 3 nachläuft.

Entitlement Girl singt über Traumprinz:

The Black Eyed Peas – Don’t Phunk With My Heart

Pat Benatar – Treat Me Right

Skunk Anansie – Hedonism (Just Because You Feel Good)

Alicia Keys – Fallin‘

Maria Bill – I mecht landen

Miley Cyrus – Wrecking Ball

Entitlement Guy singt über Bitch:

The Clash – Should I Stay or Should I Go

Bon Jovi – You Give Love a Bad Name

Stufe 3 sieht Stufe 1 einerseits als „Frühstück“, weil Stufe 1 unerfahren ist, und naiv auf die meisten Manipulationen von Stufe 3 hereinfällt.

Traumprinz singt über Entitlement Girl:

Georg Danzer – Vorstadtcasanova

EAV – Küss die Hand, schöne Frau (Unzensierte Maxi-Version)

Guns N‘ Roses – It’s So Easy

Michael Jackson – Billie Jean

Andererseits jedoch erinnert Stufe 1 den Menschen auf Stufe 3 unbewusst an eine einfachere Zeit – als Stufe 3 noch „eine Seele hatte“, und an eine bessere Welt glaubte. Deswegen verklärt Stufe 3 gerne Stufe 1 als „Neuanfang“, „unschuldige Jugend“, und dergleichen. So sind männliche Traumprinzen oft von weiblichen „Jungfrauen“ fasziniert, da sie diesen zuschreiben, aufgrund ihrer Unerfahrenheit selbst die unbemühteste und ignoranteste Art Sex (wenig Aufwand) noch beeindruckend zu finden (viel Aufmerksamkeit). Diesen Eindruck enttäuscht Stufe 1 jedoch schnell, da bereits die Tatsache, dass Stufe 1 ein realer Mensch ist und Bedürfnisse in die Gegenrichtung hat, für Stufe 3 eine narzisstische Kränkung darstellt.

Damit Stufe 3 unvorhersehbar reagieren (und so auch manipulieren) kann, braucht er_sie jedoch ein vorhersehbares Gegenüber, das sich so verhält, wie es sich Stufe 3 gerade einbildet. Die eigene Fehleinschätzung verunsichert Stufe 3 daher völlig, worauf er_sie auf Abstand geht, indem er_sie entweder nur flache Gespräche zulässt, oder „keine Zeit hat“. Wenn sich Stufe 1 durch Zurücknahme der eigenen Bedürfnisse oder einfach Zufall wieder nach Wunsch verhält, hat Stufe 3 plötzlich doch wieder Zeit und lässt eine sexuelle oder romantische Situation zu.

Meldet Stufe 1 jedoch weiterhin eigene Bedürfnisse an, vermutet Stufe 3 hinter jedem indirekten Kommunikationsversuch oder jeder aufgeblasenen Geschichte von Stufe 1 ein Manöver nach dem eigenen Stil (auf Stufe 3). Im Versuch, diese Manöver zu „durchschauen“, macht Stufe 3 zuerst paranoide Unterstellungen, und nutzt diese dann als Rechtfertigung, um Stufe 1 nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ emotional zu attackieren. An dieser Stelle der Dynamik steht Stufe 1 völlig im Eck. Egal ob Stufe 1 cool bleibt und nachfragt („Was hast du denn?“) oder sich verärgert gegen die ungerechten Unterstellungen wehrt („Wie kommst du auf so einen Blödsinn?“), reagiert Stufe 3 mit Gaslighting, Verächtlichkeit, oder sogar offener Verachtung.

Wenn Stufe 1 genügend gesunde Anteile hat, verlässt er_sie an dieser Stelle bald den übergriffigen Menschen auf Stufe 3.

Entitlement Girl „am Weg raus“, singt über Traumprinz:

Avril Lavigne – Complicated

Nelavie – Teilzeit Feminist

Silly – Alles Rot

Wir sind Helden – Alphamännchen

Nancy Sinatra – These Boots Are Made For Walking

Taylor Swift – I Knew You Were Trouble

Kelly Clarkson – Since U Been Gone

Alanis Morissette – That Particular Time

Jennifer Lopez – Qué Hiciste

Gloria Gaynor – I Will Survive

Stefanie Werger – Stoak wie a Felsen

Annett Louisan – Drück die 1

Shania Twain – That Don’t Impress Me Much

Entitlement Guy „am Weg raus“, singt über Bitch:

Jack Johnson – Sitting, Waiting, Wishing

The All-American Rejects – Gives You Hell

Wise Guys – Nur für dich (beginnt als Frauenversteher, wechselt mitten im Lied auf Entitlement Guy)

Avril Lavigne – Sk8er Boi

Wünscht sich Stufe 1 hingegen weiter Sex und/oder eine Beziehung von Stufe 3, und hält deswegen Kontakt, wandert er_sie bald auf Stufe 2, um über „Ich mach alles, was du willst“ mehr (positive) Aufmerksamkeit von Stufe 3 zu bekommen. Das Ignorieren der eigenen Bedürfnisse macht den betroffenen Menschen allerdings anfälliger für Idealisierungen, was eine besonders hässliche Dynamik (siehe Stufe 2 trifft auf Stufe 3) in Gang setzt.

Stufe 2 trifft auf Stufe 3:

Menschen auf Stufe 2 sind besonders anfällig für eine Idealisierungsfantasie, da sie ständig mit der Wunscherfüllung von anderen beschäftigt sind – den unfairen Erwartungen der Stufe 1 oder den Erwartungen der Mehrheit auf Stufe 2. In der Idealisierungsfantasie sehen sie dann einen Menschen, der endlich ihnen ihre tiefsten Wünsche erfüllt (wenigstens im Traum…).

Material Girl singt über Traumprinz:

Boney M – Daddy Cool

Carly Rae Jepsen – Call Me Maybe

Connie Francis – Schöner fremder Mann

Mia – Hungriges Herz

Christina Stürmer – Ich lebe

Duffy – Mercy

Britney Spears – Toxic

Agnes – Release Me

The Cardigans – My Favourite Game

Frauenversteher singt über Bitch:

Xavier Naidoo – Sie sieht mich nicht

James Blunt – You’re Beautiful

Mario – Let Me Love You

Reamonn – Supergirl

Radiohead – Creep

Hozier – Take Me To Church

Alice Cooper – Poison

Soft Cell – Tainted Love

Maroon 5 – This Love

Die Ärzte – Zu Spät (beginnt als Frauenversteher, wechselt im Refrain auf Traumprinz)

Dies ist jedoch eine Falle. Denn Stufe 3 erfüllt von den angedeuteten oder versprochenen Dingen der „Maske“ nur den Bruchteil, der gerade bequem ist. Sobald Stufe 3 sich genügend Aufmerksamkeit (in Form von Sex, Freundschaft, Liebe, etc.) geholt hat, verliert er_sie bald das Interesse am Gegenüber. Wie lange dieses Interesse anhält, kann manchmal tatsächlich ein geplantes Machtspielchen sein. Meistens ist es jedoch ganz einfach unklar, bis eine Gelegenheit für mehr Aufmerksamkeit die Sache kurzfristig entscheidet. Gerne hält sich Stufe 3 daher Stufe 2 mit gelegentlichen kurzen Kontaktaufnahmen für die nächste Aufmerksamkeitslieferung warm.

So sind zahlreiche Begriffe, welche als „Dating-Vokabular“ in den 2010er-Jahren populär wurden, in Wirklichkeit toxische Verhaltensmuster von Menschen auf Stufe 3: Stashing, Breadcrumbing, Benching, und schließlich Ghosting.

Traumprinz singt über Material Girl:

Mark Ronson & Bruno Mars – Uptown Funk

EAV – Märchenprinz

Roger Cicero – Kein Mann für eine Frau

3OH!3 – DONTTRUSTME

Bitch singt über Frauenversteher:

Annett Louisan – Das Spiel

Meredith Brooks – Bitch

Britney Spears – Oops!…I Did It Again

Marshmello & Anne-Marie – FRIENDS (was nach „Oops!…I Did It Again“ üblicherweise passiert)

Geht eine solche Manipulation über Monate oder Jahre, produziert sie auf Stufe 2 emotional zutiefst verletzte und enttäuschte Menschen. Diese brauchen oft Jahre, um Misstrauen gegenüber neuen Menschen abzustellen, und sich (wieder) auf etwas Ernsthaftes einzulassen. Auf Stufe 3 bleiben getriebene Menschen übrig, die aufgrund ihrer Lügen und Selbstlügen „nicht mehr in den Spiegel schauen können“. Das bewirkt, dass sie weder eine bedeutungsvolle soziale Verbindung zu einem anderen Menschen, noch alleine zu sein lange ertragen, und immer dem „nächsten Schuss“ Aufmerksamkeit folgen.

Material Girl singt über Traumprinz:

Natalie Imbruglia – Torn

Puhdys – Bis ans Ende der Welt

Stufe 3 trifft auf Stufe 3:

Hier treffen eine Bitch und ein Traumprinz aufeinander. Beide handeln nach dem Motto:

„Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“.

Und tatsächlich ähnelt ein sexuelles oder romantisches Interesse zwischen beiden einem strategisch geführten Krieg. Beide Seiten versuchen sich gegenseitig zu manipulieren, mit dem Ziel, möglichst wenig Aufmerksamkeit, also Interesse am und Zeit mit dem Gegenüber, herzugeben.

Hat eine Seite „zu viel“ Bedürftigkeit gezeigt, und droht dadurch das Spielchen zu verlieren, wird mit Manipulationen anderer Menschen (siehe Stufe 1 trifft auf Stufe 3 und Stufe 2 trifft auf Stufe 3) der eigene „Punktestand“ aufgebessert.

Wenn eine Seite schon länger auf Stufe 3 ist, die andere jedoch gerade erst die Stufe erreicht hat, bewundert der unerfahrene Mensch oftmals, dass der erfahrene auf Manipulationen nicht reagiert, und lässt sich darum mit ihm_ihr ein. Der erfahrene profitiert dabei von der billigen Aufmerksamkeit des unerfahrenen.

Treffen zwei sexuell inkompatible Menschen auf Stufe 3 aufeinander, „adoptiert“ der erfahrene nicht selten den unerfahrenen Menschen, und versorgt diese_n mit Tipps, wie Manipulationen gelingen. Natürlich wendet der unerfahrene Menschen die gelernten Spielchen sofort auf den erfahrenen an, sollte dieser einmal einen schwachen Moment haben.

Traumprinz singt über Bitch:

Blackstreet ft. Dr. Dre, Queen Pen – No Diggity (ein unerfahrener Traumprinz über eine erfahrene Bitch)

Wolfgang Ambros – Die Blume aus dem Gemeindebau (ein unerfahrener Traumprinz über eine erfahrene Bitch)

Justin Timberlake – Cry Me A River

Rammstein – Du Hast

Bitch singt über Traumprinz:

Gitte Haenning – Freu dich bloß nicht zu früh

Pixel Lametta ft. Stefanie Heinzmann – Nenn es nicht Liebe

Katy Perry – Hot N Cold

Carrie Underwood – Before He Cheats

Britney Spears – …Baby One More Time

La Roux – Bulletproof

Taylor Swift – We Are Never Ever Getting Back Together

Lady Gaga – Poker Face

Genau diese Strategie, „schwache Momente“ auszunutzen, wird einer Bitch oder einem Traumprinzen jedoch mittelfristig zum Verhängnis: Beide lassen echte Nähe gar nicht zu – aus Angst, dass sie das Gegenüber dann als „schwach“ sieht. Die Sehnsucht nach echter emotionaler Nähe läuft allerdings im Unbewussten weiter. Daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine Seite ihren Nähewunsch nicht mehr verbergen kann, und ein Bedürfnis nach emotionaler Unterstützung „herausbricht“. Das Gegenüber auf Stufe 3 sieht darin allerdings eine Angriffsmöglichkeit am Präsentierteller, und nutzt diese prompt. Dieses Spielchen läuft so lange, bis die gegenseitigen Enttäuschungen über ein Geflecht aus Racheakten (mithilfe von Menschen auf Stufe 2, die beide sich „warmhalten“) in eine hässliche Trennung münden.

Das folgende Lied beschreibt den emotionalen Innenzustand eines Menschen, der schon Jahre auf Stufe 3 verbracht hat, treffend und eindringlich. Der Text ist so ich-bezogen gehalten, dass ich keinen Hinweis auf eine Geschlechterrolle finden konnte, und es daher als Lied für alle Menschen auf Stufe 3 verwende:

Timna Brauer – Weder noch & Ich kann tanzen

Nach einigen Beziehungen in diesem Schema ist ein Mensch auf Stufe 3 völlig gebrochen. Stufe 3 schwört sich, dass er_sie nie wieder anderen Menschen vertrauen, und jedes tatsächliche oder vermutete Spielchen in Zukunft mit Gewalt lösen wird. Dadurch wandert Stufe 3 auf Stufe 4 – wird also zum Missbrauchtäter oder zur Missbrauchstäterin.

(Frischer) Missbrauchstäter singt über (seine letzte) Bitch:

Bob Dylan – All Over You

The Police – Every Breath You Take

Wissenswertes über Stufe 4:

Menschen auf der Stufe 4, also Missbrauchstäter und -innen, wissen sehr genau, dass sie mit ihrem Verhalten ihren Opfern schweren Schaden zufügen und/oder kriminell sind. Da sie im Laufe ihrer Lebensgeschichte auf der Distanzskala hinaufgewandert sind, denken sie jedoch, dass dies der einzige Weg sei, um garantiert Bedürfniserfüllung und Aufmerksamkeit von anderen Menschen zu bekommen: „Die anderen würden mich auch einfach sterben lassen!“ / „Der Mensch ist des Menschen Wolf.“

Daher wählt Stufe 4 das eigene Umfeld mit Bedacht aus – es muss genügend Opfer haben, die sich nicht wehren, damit Stufe 4 Aufmerksamkeit bekommt, sowie verlässliche Mitläufer_innen, die Missstände gegenüber den Opfern sowie Außenstehenden wegerklären.

Dazu benutzt Stufe 4 die „Maske“, die er_sie auf Stufe 3 gelernt hat, und setzt sie gezielt ein, um bei misstrauisch gewordenen Gegenübern eine Idealisierungsfantasie auszulösen, und damit sowohl Opfer als auch Mitläufer_innen zu steuern. Damit kann ein prügelnder Lebensgefährte lange genug gegenüber seiner Frau beteuern, dass es ihm sooo Leid tut, bis sie ihn zurücknimmt, oder eine Frau, die ihre Erpressungen zu weit getrieben hat, die arme, treusorgende Ehefrau spielen, die ja „nur das Beste“ für ihren Mann wollte.

Fiktive Missbrauchstäterinnen:

The L Word: Jenny Schecter (am Ende der Serie)

Missbrauchstäter singt über sich selbst:

Die Toten Hosen – Alles aus Liebe

Stufe 1 trifft auf Stufe 4:

Ein Mensch auf der Stufe 1 (Entitlement Girl oder -Guy) findet einen kompatiblen Menschen auf Stufe 4 (Missbrauchstäter_in) ähnlich „anders“ oder „interessant“ wie Stufe 3, und zwar wenn die geübte „Maske“ von Stufe 4 eine Idealisierungsfantasie auslöst. Diese Fantasie ist auf Stufe 1 allerdings noch leicht verstörbar. Das passiert, sobald sich Stufe 4 in Sicherheit wähnt, die Maske daher weglässt, und das Gegenüber misshandelt. Dann gibt es für Stufe 1 zwei Möglichkeiten, zu reagieren:

Wenn Stufe 1 genügend gesunde Anteile hat, verlässt er_sie an dieser Stelle bald den übergriffigen Menschen auf Stufe 4.

Wünscht sich Stufe 1 hingegen weiter Sex und/oder eine Beziehung von Stufe 4, und hält deswegen Kontakt, wandert er_sie bald auf Stufe 2, um über „Ich mach alles, was du willst“ Stufe 4 keinen Grund für Misshandlungen zu geben. Das Ignorieren der eigenen Bedürfnisse macht den betroffenen Menschen allerdings anfälliger für Idealisierungen, was die Dynamik von Gewalt in der Beziehung (siehe Stufe 2 trifft auf Stufe 4) in Gang setzt.

Stufe 2 trifft auf Stufe 4:

Sobald ein Material Girl oder Frauenversteher auf Stufe 2, und eine Missbrauchstäterin oder ein Missbrauchstäter auf Stufe 4 ausreichend kompatibel sind, beginnt die Katastrophe:

Stufe 2 ist durch sein Verhalten sowohl das perfekte Opfer, weil am anfälligsten für Idealisierungsfantasien, als auch der perfekte Mitläufer, wegen der unbedingten Anerkennung des sozialen Umfelds. Stufe 4 „organisiert“ sich daher mithilfe der „Maske“ einen möglichst hilflosen Menschen auf Stufe 2. Seine Spielchen betreibt Stufe 4 so lange, bis Stufe 2 entweder hündisch ergeben ist, und/oder existenziell abhängig, indem er_sie kein eigenes Geld mehr verwaltet, und/oder von allen anderen bedeutsamen Menschen abgeschnitten ist. Ist das „eingezogen“, lässt Stufe 4 der eigenen Gewalt freie Bahn, und bedient nur dann die „Maske“, wenn sich das Opfer durch andere Mittel nicht kontrollieren lässt.

Stufe 2 versteht hingegen die Welt nicht mehr:

„Als wir uns kennengelernt haben, war sie ganz anders.“

„Letzte Woche war er so lieb, wirklich!“
„Was habe ich denn falsch gemacht?“

Um möglichst wenig Gewalt abzubekommen, fügt sich Stufe 2 jeder Regung von Stufe 4, und versucht jede Kleinigkeit Recht zu machen. Dieses Verhalten lässt Stufe 2 verhungert nach Aufmersamkeit zurück, worauf Stufe 2 versucht, diese anderswo durch weniger Anpassung zu bekommen. Stufe 4 findet jedoch, dass jegliche Aufmerksamkeit und Anerkennung von Stufe 2 ihm_ihr „allein gehört“, und befürchtet (völlig zurecht), dass Stufe 2 durch Kontakt zu anderen Menschen jemand Besseren finden könnte. Deswegen veranstalten Menschen auf Stufe 4 regelmäßig paranoide Eifersuchtsdramen, und halten ihre Opfer durch Drohungen oder Wegsperren von anderen Menschen fern. Wenn Stufe 4 durch dieses Verhalten auffliegen würde, lässt Stufe 4 zwar Kontaktpersonen zu, allerdings nur solange er_sie diese als völlige Mitläufer_innen (mehr auf Stufe 2 als das Opfer) oder auf Stufe 3 einschätzt.

Währenddessen versucht Stufe 2 die Dramen und die Gewalt von Stufe 4 nach außen hin so gut wie möglich zu verstecken, und hält krampfhaft das Bild der „heilen Familie“ aufrecht, um nicht auch noch die Anerkennung des sozialen Umfelds zu verlieren.

Missbrauchstäter und Material Girl singen übereinander:

Subway To Sally – Kleid Aus Rosen

Eminem ft. Rihanna – Love the Way You Lie

Stufe 3 trifft auf Stufe 4:

Manipulationen, die bleibenden Schaden hinterlassen, hat der Mensch auf Stufe 3 bisher vermieden. Die waren ihm_ihr dann doch nicht ganz geheuer. Doch da Menschen auf Stufe 3 nichts wichtiger ist als Status, und geschickte Missbrauchstäter_innen in einer patriarchalen Gesellschaft oftmals einen hohen Status haben, blickt ein Mensch auf Stufe 3 bald bewundernd auf einen skrupellosen Menschen auf der Stufe 4: Diese Menschen schrecken vor nichts zurück, und bekommen dadurch jederzeit alles, was sie sich gerade einbilden. Also möchte Stufe 3 unbedingt Aufmerksamkeit von Stufe 4 bekommen, um dadurch im Status befördert zu werden – und um bei dessen Opfern nachzutreten.

Bitch singt über Missbrauchstäter:

Lady Gaga – Bad Romance

Für Stufe 4 ist Stufe 3 natürlich ein willkommener Trottel, den er_sie genauso wie alle Anderen in seiner Umgebung ausbeuten kann. Im Gegensatz zu den unteren Stufen ist Stufe 3 jedoch praktisch, da dessen ständige Manipulationen unerwünschte Menschen verwirren oder fernhalten, welche sonst die Machenschaften des_der Missbrauchstäter_in aufdecken könnten.

Aus diesem Grund bestehen Organisationen mit sektoiden Gruppendynamik oftmals aus einem oder einer Missbrauchstäter_in auf Stufe 4 an der Spitze, welche sich dann Menschen auf Stufe 3 als „zweite Reihe“ halten. Weil „Zweiter“ zu sein für Stufe 3 eine Demütigung darstellt, brauchen diese wiederum eine Umgebung, in der sie „wichtig“ sein können – in Form von einer dritten und vierten Reihe Mitläufer_innen auf Stufe 2. Diese Hierarchie findet sich an allen fundamentalistischen Gruppierungen mit einer Ideologie – vergleiche jede katholische Schule, an der Kindesmissbräuche aufgedeckt wurden, den Nationalsozialismus, den Stalinimus, islamistische Regimes, etc.

Stufe 4 trifft auf Stufe 4:

Zwei Menschen auf Stufe 4, die miteinander Sex haben, oder in einer Beziehung sind, wissen beide, dass ihr Gegenüber ohne Hemmungen jede erdenkliche Gewalt anwenden wird. Daher halten sie ihren Zustand durch ein „Gleichgewicht des Schreckens“ aufrecht. Dazu gestehen sich beide ein eigenes Netzwerk aus Opfern zu, an denen sie sich abreagieren können. Die Stimmung schwankt dabei zwischen Auflauern zum Selbstschutz und Bewunderung, wenn dem Gegenüber ein besonders guter „Coup“ gelungen ist.

Missbrauchstäter singt über Missbrauchstäterin:

Scissor Sisters – I Can’t Decide

Die Distanzskala – Teil 3/6: Menschen, fiktive Charaktere oder Lieder einordnen

Der Abschnitt Die Distanzskala – Teil 2/6: Alle patriarchalen Dynamiken oder: Treffen sich zwei im Patriarchat erzogene Menschen… erklärt die „typischen“ Konflikte und Verletzungen zwischen Frauen und Männern – und allen Menschen, die sich überwiegend nach einer patriarchalen Rolle verhalten – anhand fiktiver Charaktere in Serien, sowie Liedern aus der Popkultur. Hier geht es zur Playlist auf Spotify. Sogar Handlungen von formulaischen Filmen, etwa Romcoms, folgen mit ihren Hauptcharakteren üblicherweise einer Dynamik der Distanzskala.

Wozu Menschen nach toxischen Verhaltensweisen einteilen?

Energiefressende Verhaltensweisen – wie jene, welche die Distanzskala beschreibt – haben gemeinsam, dass sie meistens versteckt ablaufen: Die Leidtragenden fühlen sich missachtet, beleidigt, oder verletzt, können jedoch oft nicht die konkrete Ursache benennen. Das ermöglicht dem ausführenden Menschen, weiter Schaden anzurichten. Dies kann dann sogar bei den Leidtragenden toxische Verhaltensweisen auslösen, welche den ausführenden Menschen wiederum bestärken, etc. Dadurch hält eine Dynamik der Distanzskala die ǵesamte soziale Verbindung / Beziehung in einem energiefressenden Zustand.

Wer Menschen auf der Distanzskala einordnet, kann danach einige der energiefressenden Verhaltenweisen konkret benennen bzw. korrekt vorhersagen. Diese Vorhersage ermöglicht es auch, Maßnahmen zu ergreifen, welche den Schaden verringern: Der leidtragende Mensch kann den ausführenden Menschen darauf ansprechen, und andere Verhaltensweisen vorschlagen. Und der ausführende Mensch kann erkennen, dass er_sie gerade Schaden anrichtet, sich fragen, ob er_sie das wirklich will, und selbst eine Verhaltensänderung beginnen.

Außerdem hilft die Distanzskala dabei, die Schwere des Schadens einzuschätzen. Das ist wichtig, denn viel aktuelle Kritik von patriarchalen Verhaltensweisen geht daran schief, dass dabei alle Menschen, die sich irgendwie unfair verhalten haben, in einen Topf geworfen werden. In Folge werden eindeutig unfaire Menschen, die jedoch keine Gewalt ausüben, mit derselben Ablehnung wie Gewaltverbrecher behandelt. Das Schlimme an diesem Herangang ist, dass damit einerseits Gewalt verharmlost wird, und dass andererseits Opfer von Gewaltverbrechen sich nicht nur durch ihr eigenes Trauma, sondern auch noch eine verwirrende Sprache wühlen müssen, um ihre Anliegen durchzusetzen. Die Distanzskala ermöglicht durch ihre verschiedenen Stufen eine bessere Einordnung, und kann dadurch sowohl Menschen, die Alltagssexismus erfahren, als auch Opfern von Gewalttäter_innen gleichermaßen zu einer verständlicheren Sprache verhelfen.

Fiktive Charaktere auf der Distanzskala einzuordnen kann bei der Beurteilung eines „guten Films“ oder einer „guten Geschichte“ helfen: Wenn der Film eine toxische Dynamik abbildet, sollte er eher als abschreckendes Beispiel oder „Anleitung zum Unglücklichsein“ geschaut werden – und nicht als Vorbild für sexuelle Abenteuer und/oder romantische Beziehungen im echten Leben dienen.

Sowohl fiktive Charaktere als auch Lieder auf der Distanzskala einzuordnen kann wiederum ermöglichen, Menschen einzuschätzen: Wer die meisten Entscheidungen einer Bitch in einem Film gut findet, und diese in Diskussionen verteidigt, ist höchstwahrscheinlich selbst eine Bitch. Wer bei einem Lied, das den Innenzustand eines Frauenverstehers schildert, sehr mitfühlt, oder es „zwar problematisch, aber doch die Wahrheit“ findet, ist höchstwahrscheinlich selbst ein Frauenversteher. Und wenn das Lied eine Dynamik zwischen zwei Stufen der Distanzskala abbildet, hat derselbe Mensch entweder eine unverarbeitete Ex-Beziehung mit dieser Dynamik, was in nachfolgende Verliebtheiten oder Beziehungen hineinstören wird, oder lebt sogar in einer Beziehung, in der ebenjene Dynamik gerade läuft.

Ein paar Tipps zum Einordnen auf der Distanzskala
Die passende Rolle

Wie ich entdeckt habe, ist die Rollenverteilung in Medien für den Mainstream erschreckend klassisch: Männliche Sänger / Charaktere sind auf der Distanzskala der Rolle „Mann“, und weibliche Sängerinnen / Charaktere auf der Distanzskala der Rolle „Frau“. Diese Vorannahme funktioniert daher meistens.

Wer sich bei der Rolle unsicher ist, kann:

  1. Das Spielchen nachvollziehen:
    • Mensch täuscht sexuelle Verfügbarkeit vor -> Rolle „Frau“
    • Mensch täuscht emotionale Verfügbarkeit vor -> Rolle „Mann“
  1. Oder wenn eine Rolle bereits bekannt ist, für die zweite Rolle einfach das Gegenstück annehmen (weil es für die Distanzskala eine Rolle „Frau“ und eine Rolle „Mann“ braucht).

Wer „vertauschte“ Rollen oder patriarchale Dynamiken bei lesbischen oder schwulen Interaktionen sichtbar machen möchte, findet diese am ehesten in Werken von queeren Künstler_innen.

Im Mainstream öfters zu finden sind Rollenwechsler – also Menschen, die sich zuerst entsprechend ihrer Rolle verhalten, aber dann plötzlich in der gegensätzlichen, „unpassenden“ Rolle auftreten: Das kann etwa eine Frau sein, die zuerst als Befehlsempfängerin von Männern auftritt, aber dann plötzlich die Führung übernimmt, oder ein Mann, der zuerst unnahbar erscheint, aber plötzlich zum Fangirly wird. Solche Charaktere verhalten sich nicht „wie erwartet“ und eignen sich daher gut für Situationskomik, sowie Verwirrungen in der Handlung. Aus demselben Grund werden sie jedoch zur Zielscheibe homophober Witze, oder dienen generell als negative Darstellung von Menschen abseits einer heteronormativen Lebensweise.

Ein konkretes Beispiel eines Rollenwechslers ist der Charakter Raj Koothrappali in der Sitcom The Big Bang Theory: Gegenüber seinen weiblichen Dates verhält er sich in der Rolle „Mann“ als Entitlement Guy. Mit seinen Freunden, speziell Howard, wechselt er jedoch in die Rolle „Frau“ und verhält sich wie ein Entitlement Girl, was die homoerotische Anziehung zwischen Howard und ihm aufrecht erhält.

Die passende Stufe

Um die richtige Stufe zu finden, empfehle ich, die Distanzskala von der höchsten zur niedrigsten Stufe durchzugehen – weil Stufe 4 am schrecklichsten, und somit am leichtesten zu erkennen ist.

Menschen auf Stufe 4 (Missbrauchstäter_in) benutzen physische (Verprügeln, Drohungen, etc.) oder psychische Gewalt (Erpressung, Gaslighting, etc.)., um damit die gewünschte Aufmerksamkeit zu erzwingen.

Stufe 3 (Bitch oder Traumprinz):

  • findet sich selbst „zu gut für diese Welt“,
  • erzählt über die Gefühle „hinter der Maske“ („Behind Blue Eyes“),
  • schildert, wie er_sie ein Interesse vortäuscht, um sich damit etwas völlig Anderes zu erschleichen,
  • liefert offene, teilweise geplante Manipulationen / Racheaktionen.

Stufe 2 (Material Girl oder Frauenversteher):

  • verbiegt sich völlig für die Beziehung („Ja, Schatz!“),
  • hat ein schlechtes Selbstwertgefühl und idealisiert andere Menschen („I’m a creep“),
  • möchte unbedingt allen Erwartungen der eigenen sozialen Schicht, des Freundeskreises, etc. entsprechen und dafür bewundert werden,
  • liefert impulsive, heimliche Racheaktionen.
  • Wenn Stufe 2 finanzielle Zuwendungen ohne Gegenleistung erwartet („zahl mir das Getränk / das Haus / mein Leben“), ist es ein Material Girl.

Stufe 1 (Entitlement Girl / Guy) bleibt meistens nach Ausschluss der obigen Punkte übrig. Direkt erkennbar ist Stufe 1 daran, dass er_sie eigentlich ganz nett wirkt, aber dann plötzlich eine ungute oder unfaire Bemerkung über das jeweils andere Geschlecht macht.

Ich freue mich über Vorschläge, etwas auf der Distanzskala einzuordnen: Lieder, Seriencharaktere, Filmcharaktere, oder einfach Memes. Eindeutige Treffer nehme ich in diesen Artikel und die Spotify-Playlist auf. Wenn du eine gute Idee hast, schreib mir doch unter Frag sacriba!

Die Distanzskala – Teil 5/6: Der Sexismus des Entitlement Guys oder: Wie Männer die aufregenden Frauen vertreiben

Alle Verhaltensweisen der Distanzskala haben „klein angefangen“ – und zwar in der traditionellen Rolle „Frau“ und der traditionellen Rolle „Mann“, die Menschen je nach Geschlechtsmerkmalen bei der Geburt zugeteilt bekommen. Menschen mit Vulva werden dabei „als Frau“ erzogen, genauer, in ein Verhaltensmuster, das ich Entitlement Girl nenne. Menschen mit Penis werden hingegen „als Mann“ erzogen, genauer, in ein Verhaltensmuster, das ich als Entitlement Guy bezeichne.

Sobald im Patriarchat (v)erzogene Menschen in die Pubertät kommen, und ihre sexuellen und romantischen Bedürfnisse voll ausfalten, geschieht das mithilfe der anerzogenen toxischen Verhaltensweisen. Diese sind auf Stufe 1 der Distanzskala fast ausschließlich unbewusst, und daher mit der wenigen Lebenserfahrung der meisten Jugendlichen oder jungen Erwachsenen kaum zu durchschauen.

Allerdings beginnt bereits hier das Bullshit-Bingo, mit dem Menschen auf Stufe 1 die Menschen wegschicken, die sie sich eigentlich als Sex- oder Beziehungspartner_in wünschen würden. Das Verhalten eines Menschen auf Stufe 1 vertreibt nämlich alle Menschen, die weniger Patriarchat haben. Damit sich ein Mensch abgelehnt fühlt oder vertrieben wird, reicht es nämlich, wenn er_sie weniger unfaire Erwartungen (Entitlement) hat. Einen weitgehend gesunden Menschen auf „Stufe 0“, der lustvollen Sex und eine liebevolle Beziehung aktiv herstellen kann, trifft dies natürlich am härtesten. Dadurch bleiben bald nur ungeeignete Menschen für Sex oder eine Beziehung übrig, was eine toxische Fortgehkultur und unglückliche Beziehungen hervorbringt.

So schicken Männer die aufregenden Frauen weg:

Ein Entitlement Guy hat eine Frau kennengelernt, mit der er Sex haben möchte. Also probiert er mit Verhaltensweisen, die er aus seiner sozialen Umgebung oder aus der Popkultur (Filmen, Serien, …) kennt, die Frau zu beeindrucken, was, so hofft er, irgendwann zu Sex führen wird. Im eurozentrischen Kulturkreis sind dies üblicherweise Nettigkeiten und Gefallen der Frau gegenüber, also Gesten wie Tür aufhalten, schwere Sachen tragen, kleine Geschenke ohne Anlass oder Handlungen wie Zuhören, eine gemeinsame Unternehmung, die der Frau gefällt, usw. Genau das tritt aber eine Spirale los, die effektiv verhindert, dass die Frau mit ihm einfach so Sex hat. Nicht weil nette Handlungen falsch wären – ganz im Gegenteil – sondern weil alle diese Handlungen nichts Sexuelles kommunizieren! Sie sind nett, aufmerksam, eventuell sogar lieb – aber nicht aufregend und geil. Diese Tatsache lässt die Frau unterschiedlich reagieren:

1) Die Frau ist ein völliges Entitlement Girl:

Sie freut sich an den Nettigkeiten, sieht aber keine Notwendigkeit darin, die Gefallen des Mannes in irgendeiner Form zu erwidern – ihre Leistung ist doch bereits ihre Anwesenheit, und dass sie Zeit mit ihm verbringt. Sex wird sie nur mit ihm haben, wenn er ihr ausreichend Aufmerksamkeit gegeben hat. Schafft er das Maß nicht, das sie sich vorstellt, waren seine Aufmerksamkeit und Aufwendungen eben gratis – selber schuld, wenn der Kerl sich nicht bemüht.

Falls der Entitlement Guy doch eine sexuelle Anspielung macht, die seinen Wunsch klarstellt, und noch nicht mit genügend Aufmerksamkeit dafür „bezahlt“ hat, reagiert das Entitlement Girl mit Empörung und Slutshaming gegenüber dem Mann: „Wie kommst du dazu, mich nach so etwas zu fragen?!“ Hier ist anzumerken, dass es natürlich die alleinige Entscheidung der Frau ist, mit wem sie Sex hat. Allerdings sagt sie nicht einfach „Nein“, was ausreichend wäre, sondern attackiert den Mann grundlos. Dadurch verhindert sie eine Konsensverhandlung – behandelt den Mann also übergriffig.

2) Die Frau ist noch ein Entitlement Girl, hat jedoch bereits begonnen, ihre eigenen unfairen Erwartungen infrage zu stellen:

Die Handlungen des Mannes kommunizieren nichts Sexuelles, daher steigt sie auf das ein, was sie versteht. Die Handlungen sind auf der Näheskala eindeutig zuordenbar:

  • Tür aufhalten, schwere Sachen tragen, über ein gemeinsames Thema unterhalten: Ebene 4, Bekanntschaft
  • Kleine Geschenke ohne Anlass, Zuhören, eine gemeinsame Unternehmung: Ebene 5, Freundschaft

Sie versteht also, dass der betreffende Mann eine platonische Bekanntschaft oder Freundschaft mit ihr beginnen möchte und gibt ihm entsprechende Gefallen zurück: Wenn er ihr bei einem Thema zugehört hat, hört sie ihm bei der nächsten Gelegenheit genauso zu. Wenn er ihr ein kleines Geschenk macht, überlegt sie sich ebenfalls ein kleines Geschenk im selben Wert für ihn, usw.

Da sie selbst noch unbewusst die patriarchale Lüge der Rolle „Frau“ laufen hat, die ihre Sexualität unterdrückt, kommt sie nicht auf die Idee, dass der Hintergrund der Gefallen Sex mit ihr sein könnte, und verbleibt deswegen bei einer Bekanntschaft oder Freundschaft. Falls der Entitlement Guy doch eine sexuelle Anspielung macht, die seinen Wunsch klarstellt, kennt sie sich entweder nicht aus („Ich dachte, wir wären befreundet?“), hält es für einen Scherz, oder empfindet es zwar als Kompliment, lehnt aber höflich ab, da sie den Mann aufgrund der gezeigten Handlungen nie als aufregend erlebt hat, und ihn daher auch nicht sexuell anziehend findet.

3) Die Frau ist weitgehend gesund und hat auch die patriarchale Lüge der Rolle „Frau“ durchschaut:

Sie überprüft, ob sie diesen neuen Mann attraktiv und sympathisch genug für Sex findet. Wenn ja, steigt sie ihm auf eine sexuelle Anspielung ein oder bietet ihm von sich aus bald Sex an. Wenn nein, oder wenn sie in einer Lebenssituation ist, in der das nicht passt, kommuniziert sie ihm höflich ihr Desinteresse. Andere Gefallen lehnt sie entweder ab, weil sie keine Bekanntschaft oder Freundschaft möchte, oder nimmt sie an, und achtet dann darauf, Gefallen im selben Wert zurückzugeben.

Nun fühlt sich der Entitlement Guy aber durch jede dieser Verhaltensweisen in seiner schlechten Meinung über Frauen bestätigt:

1) Entitlement Girl:

Während er sich bemüht, Zeit und Aufmerksamkeit investiert, kommt von der Frau genau gar nichts zurück. Er fühlt sich daher (zurecht) ausgenutzt und ist wütend auf die ignorante, eingebildete Tussi. Falls ihn das Entitlement Girl dann auch noch slutshamed, sobald er nach Sex fragt, geht er mit einer gehörigen Portion Rest-Wut aus der Begegnung, welche dann zukünftige Frauen – egal ob Entitlement Girl oder gesund – ausbaden werden. So wird er bei einer der nächsten Frauen nach einem Gefallen nicht mehr nach Sex fragen, sondern gleich Sex mit ihr einfordern, womit er ihr alleiniges Recht auf ihren Körper infrage stellt. Damit verhindert er eine Konsenverhandlung – behandelt die Frau also übergriffig.

2) Entitlement Girl, die ihr eigenes Entitlement hinterfragt:

Da kein Sex stattfindet, wurde sein Wunsch frustriert. Er ist daher unbewusst wütend auf die Frau, wovon er bewusst nur einen diffusen Ärger über sie, den er sich selbst nicht ganz erklären kann, mitbekommt. Jenen Ärger muss er irgendwo abreagieren, weswegen dieser schließlich in Form von Missachtung und Slutshaming gegenüber der Frau herausbricht: Er behandelt dann ihre Gegengefallen als selbstverständlich, wurscht oder sogar als „nicht gut genug“, und macht beleidigende oder abwertende Kommentare bei jeder Gelegenheit, die ihn an Sex erinnert – ihre Art zu kleiden, Fortgehen, Treffen mit anderen Männern, usw. Diese Situation beschreiben Entitlement Guys üblicherweise mit dem Begriff Friendzone.

Die Frau ist verständlicherweise beleidigt, weil er aus ihrer Sicht ihre jeweiligen Gefallen nicht wertschätzt, und verletzt, sobald er sie einige Male slutgeshamed hat. Das bewirkt, dass sie den Kontakt einschränkt oder ganz abbricht. Damit ist für den Entitlement Guy natürlich jegliche Chance auf Sex vertan – und er zieht über die Frau vor seinen männlichen Freunden her, die ihn durch ähnliche Erfahrungen mit Frauen dabei unterstützen.

3) Gesunde Frau:
3a) Sofort:

Der Entitlement Guy rechnet nicht damit, eine gesunde Frau vor sich zu haben, die ihm auf eine sexuelle Anspielung ernsthaft einsteigt oder ihm sogar von sich aus Sex anbietet. Er fühlt sich von der Selbstsicherheit der Frau erniedrigt, da er sie gerne beeindruckt hätte, nicht umgekehrt, wie es der Fall ist. Einerseits steht nun Sex endlich im Angebot, andererseits kommt er überhaupt nicht damit klar, dass die Frau „seine“ Rolle in der Interaktion einnimmt. Wenn die Frau zusätzlich sexuell erfahren ist, also weiß, was sie will und das auch verlangt, zerstört dies sein Weltbild endgültig. Der Entitlement Guy weiß nicht, wie er sich jetzt verhalten soll – und da die patriarchale Lüge der Rolle „Mann“ seine Empathiefähigkeit unterdrückt, fischt er aus seiner eigenen Verunsicherung das eine Gefühl, mit dem er sich auskennt, und das ihn wieder „männlich“ wirken lässt: Aggression. Also lässt er passiv-aggressiv eine möglichst abwertende Slutshaming-Bemerkung vom Stapel.

Die gesunde Frau hat aber kein Interesse an einem Männchen, das mit ihr völlig überflüssig um die Rangordnung streitet, sondern hätte sich einen Mann gewünscht, mit dem sie lustvollen, empathischen Sex haben kann. Sie zieht daher ihr Angebot nach dem Motto „Dann halt nicht, du Trottel“ zurück und sucht sich einen anderen, besser geeigneten Mann.

3b) Mit Zeitverzögerung:

Falls der Entitlement Guy trotz seiner gefühlten Erniedrigung höflich und freundlich reagiert, und es tatsächlich zu Sex kommt, wird die gesunde Frau danach kein zweites Mal Sex mit ihm wollen: Der Entitlement Guy ist nämlich der Meinung, dass seine Anwesenheit und Gefallen (egal, ob die Frau diese angenommen hat oder nicht) bereits seine Leistung waren und dass die Frau, indem sie Sex mit ihm hat, dafür „bezahlt“. Daher verhält er sich beim Sex ziemlich ignorant und tut nichts für die Lust der Frau – wozu auch, er hat seine Leistung ja schon längst erbracht. Auf Wünsche der Frau reagiert er genervt oder überhört diese einfach.

Die Frau hat dadurch verständlicherweise nicht viel Spaß, und wird sich für das nächste Mal einen geeigneteren Mann suchen, dem ihre Lust genauso wichtig ist wie ihr die seine. Der Entitlement Guy ist dann zwar das eine Mal befriedigt, aber stößt spätestens beim nächsten Mal, wenn er Sex möchte, auf Ablehnung und negatives Feedback der Frau. Darauf reagiert er mit Unverständnis und Wut – aus seiner Sicht gibt es schließlich keinen Grund, warum er Sex mit ihr nicht mehr „verdient“ hätte. Damit ist er wieder in der Ausgangssituation gelandet.

Die Distanzskala – Teil 6/6: Was Frau und Mann im Patriarchat gemeinsam haben

Die zahlreichen, emotional aufgeladenen Diskussionen über „die Frauen“ und „die Männer“ in den Medien präsentieren regelmäßig, dass deren Sichtweisen absolute Gegenteile wären. Die Distanzskala zeigt jedoch, dass die Geschlechterrollen aus der Vogelperspektive gar nicht so verschieden sind. Im Endeffekt haben sie dasselbe Ziel. Jene Ziele bildet die Distanzskala als Abfolge von vier Stufen ab:

Die Distanzskala nach Stufe
Schweregrad Grobe Einteilung Motivation und Ziel des Spielchens Gemeinsamer Nenner im Verhalten gegenüber anderen Menschen Ausprägung der Rolle „Frau“ Ausprägung der Rolle „Mann“
1. Stufe Die Unbewussten Anerkennung ohne Gegenleistung von Menschen, die sexuell und/oder romantisch interessant sind Anstrengend, unfair, jammert, ist ständig beleidigt Entitlement Girl Entitlement Guy
2. Stufe Anerkennung ohne Gegenleistung von Menschen, die sexuell und/oder romantisch interessant sind, und der Mehrheit des sozialen Umfelds Vorne zuvorkommend, redet hinterrücks schlecht und betrügt Material Girl Frauenversteher
3. Stufe Die Vampire Anerkennung ohne Gegenleistung der Mehrheit des sozialen Umfelds, und von Menschen, wo sie sich einfach erschleichen lässt Sagt oder macht genau das, was ein ausnutzbarer Mensch hören will, hält nichts, was er_sie verspricht Bitch Traumprinz
4. Stufe Anerkennung ohne Gegenleistung von Menschen, wo sie sich einfach erschleichen lässt, sowie von jedem erreichbaren Menschen, sofort, und mit Gewalt Misshandelt alle erreichbaren Menschen. Je intelligenter, desto gezielter die Opfer und desto versteckter die Übergriffe. Missbrauchstäterin Missbrauchstäter
Die Distanzskala nach Rolle oder: Was Frau und Mann im Patriarchat unterscheidet

Während die Ziele also dieselben sind, gibt es sehr wohl einen gravierende Unterschied: Die Strategie ans Ziel zu kommen, also die Umsetzung einer Stufe, ist je nach Rolle verschieden:

  • Die Rolle „Frau“ täuscht Sex vor, um unfaire Liebe zu bekommen,
  • Die Rolle „Mann“ täuscht Liebe vor, um unfairen Sex zu bekommen.

Der wesentliche Punkt ist unfaire Liebe und unfairer Sex: Damit möchte ich betonen, dass das wirkliche Ziel der ausführenden Menschen ein Machtspielchen ist. Es geht darum, das Gegenüber anstatt als Menschen als Automaten zu behandeln, welche_r ein gerade vorhandenes Bedürfnis befriedigen soll, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten.

Wie funktioniert das Patriarchat?

Wie bereits in Sex und Liebe: Der große Unterschied! angesprochen, vertrete ich, dass das größte Problem des sozialen Miteinanders der eurozentrischen/westlichen Gesellschaft und ihrer alternativen Szenen folgendes ist: die Verwechslung von Sex und Liebe. Diese Verwechslung kann mithilfe von unterscheidender Sprache in der Praxis aufgehoben werden.

Doch mit einer Sprachänderung alleine ist es nicht getan: Auf der erwähnten Verwirrung baut nämlich ein ganzes Gesellschaftssystem auf, das alle Lebensbereiche durchzieht – das Patriarchat.

Wikipedia definiert es so:

Patriarchat (wörtlich „Väterherrschaft“) beschreibt in der Soziologie, der Politikwissenschaft und verschiedenen Gesellschaftstheorien ein System von sozialen Beziehungen, maßgebenden Werten, Normen und Verhaltensmustern, das von Vätern und Männern geprägt, kontrolliert und repräsentiert wird.

Nun ergänze ich um ein paar Hintergrundinformationen:

Die Rollen „Frau“ und „Mann“ werden allen Menschen in patriarchalen Gesellschaften von Geburt an anerzogen. Jede Rolle ist eine Sammlung von bestimmten Verhaltensmustern rund um die Auslebung der sexuellen und romantischen Bedürfnisse.

Die Eigenschaften dieser Rollen sind nahezu jedem bekannt:

  • Eine typische Frau ist fürsorglich, geduldig, hört gerne zu, und stellt ihre eigenen Bedürfnisse hintenan. Sie kleidet sich feminin, redet gerne über Gefühle und Mode, und interessiert sich nicht für Technik.
  • Ein typischer Mann gibt den Ton an, ist konkurrenzgeil, erklärt gerne Anderen die Welt, und setzt seine Interessen durch. Er kleidet sich maskulin, redet gerne über Technik oder Sport, und macht ungern Hausarbeit.

Die beschriebenen sozialen Rollen werden gerne mit Geschlechtern gleichgesetzt. Menschen, die diesen Glaubenssatz vertreten, behaupten, es gäbe exakt zwei Geschlechter, die biologisch, genetisch, oder natürlich vorgegeben wären. Diese Denkweise heißt die binäre Geschlechterordnung und ist ein patriarchales Lügenkonstrukt, da es ganz faktisch mehr als zwei Geschlechter gibt, nämlich Menschen, die mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren werden.

Diese erleiden durch die binäre Geschlechterordnung den größten Schaden, da sie bewirkt, dass die Existenz solcher Menschen vertuscht wird, indem diese entweder als männlich oder weiblich ausgegeben werden – je nach dem, was ihrem Körperbau „eher“ entspricht. Dadurch haben sie ein erhöhtes Risiko, bei Erkrankungen keine passende Behandlung zu bekommen, weil von einem typischen Körperbau ausgegangen wird, den sie nicht haben, oder werden sogar zwangsoperiert, um den Vorstellungen von Eltern oder Ärzt_innen zu entsprechen, was bei den Betroffenen oft langfristig körperliche und psychische Probleme verursacht.

In Wahrheit ist hier gar nichts natürlich: Die soziale Rolle wird Menschen je nach ihrem sichtbaren Geschlechtsorgan bei der Geburt zugewiesen:

  • Menschen mit Vulva wird die Rolle „Frau“ zugeordnet: „Es ist ein Mädchen!“
  • Menschen mit Penis wird die Rolle „Mann“ zugeordnet: „Es ist ein Bub!“

Sofort nach der Zuordnung beginnt das gesamte Umfeld des Kindes, es im Sinne der Rolle anzusprechen: „Bist du aber ein liebes Mädchen!“, „Oh, was für ein starker Bub du schon bist!“. Dass kaum jemand kleine Mädchen „stark“ oder kleine Buben „lieb“ findet, obwohl es viele starke Mädchen und viele liebe Buben gibt, ist bereits ein gutes Beispiel für die Ungerechtigkeit, die aus patriarchalen Geschlechterrollen hervorgeht. Dieselbe Ungleichbehandlung passiert als Reaktion auf hunderte andere Verhaltensweisen des Kindes: Wenn sich ein Mädchen und ein Bub in derselben Situation exakt gleich verhalten, wird die Umgebung je nach den Erwartungen der Rolle beim einen loben, beim anderen ignorieren oder ärgerlich werden.

Da Kinder hauptsächlich durch Vorleben und Nachahmen lernen, nehmen nicht nur die Eltern oder andere Bezugspersonen, sondern auch die gesamte Lebensumgebung eines Kindes (Verwandte, Nachbarn, Kindergarten, Schule, Serien, Filme, Bücher, Comics, Werbung, usw.) Einfluss auf die soziale Rolle des Kindes. Die erlernten Verhaltensmuster zeigen sich bereits deutlich im Laufe der Kindheit, und entfalten sich vollständig mit dem Erwachen der eigenen Sexualität, also während der Pubertät. Danach sind sie ein zentraler Teil der Identität, und beeinflussen unbewusst den Großteil der Gedanken, Werthaltungen und Handlungen jedes erwachsenen Menschen.

Die meisten Menschen behalten das anerzogene Verhaltensmuster ihr Leben lang bei. Bei der Mehrheit der erwachsenen Menschen nehmen daher Menschen mit Vulva meistens die Rolle „Frau“ sowie Menschen mit Penis meistens die Rolle „Mann“ ein. Trans-Menschen und weitere Geschlechter sind jedoch genauso Mitwirkende der patriarchalen Rollenverteilung: Auch sie wurden in einer sozialen Rolle erzogen, und fallen durch ihr unbewusstes Verhalten entweder überwiegend in die Rolle „Frau“ oder „Mann“.

Wer sich wie die letztgenannnten Menschen bewusster mit der Wahrnehmung von geschlechtstypischem Verhalten beschäftigt, und beginnt, die eigene Rolle als eingeprägtes Muster zu bemerken, kann unbewusst oder bewusst unabhängig von Erziehung oder empfundenem Geschlecht in die jeweils andere Rolle wechseln. Alternative Subkulturen kennen das Phänomen und haben für Menschen, die zeitweise oder völlig in eine andere als die traditionelle Rolle schlüpfen, eigene Bezeichnungen entwickelt: Butch, Dyke, Tomboy, Tunte, Döschen, Transvestit, Crossdresser, usw.

Die Orientierung hat mit der sozialen Rolle übrigens gar nichts zu tun: So kann eine lesbische genauso wie eine Hetero-Frau verhaltensgleich die Rolle „Frau“ einnehmen, lediglich die erotischen und romantischen Wünsche sind an ein anderes Geschlecht gerichtet.

Für alle Geschlechter lässt sich das Patriarchat auf eine einfache Verleugnung zusammenkürzen:

Frauen wollen keinen Sex, sondern nur Liebe.
Männer wollen keine Liebe, sondern nur Sex.

Das ist die große patriarchale Lüge, die verpackt in den sozialen Rollen „Frau“ und „Mann“ in den patriarchalen Mehrheitsgesellschaften (der eurozentrischen/westlichen, der muslimischen und der russischen/asiatischen Gesellschaft) ständig als Wahrheit verkauft wird.

Diese Lüge mag so direkt aufgeschrieben als bekannter Unfug erscheinen. Da sie allerdings in den meisten Menschen immer noch unbewusst fest verankert ist, ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig, um diese falsche Idee zu entfernen. Mein Blog soll seinen Teil zu dieser Aufklärungsarbeit beitragen.

Wie sieht die patriarchale Lüge genau aus?

An wen richtet sich der Artikel?

Welche Orientierungen, Rollen, oder Geschlechter der Artikel anspricht
Sexuelle Orientierung(en): alle
Romantische Orientierung(en): alle
Geschlecht(er): alle
Wer ist mit Frau und Mann gemeint?
  • Frau steht für Mensch mit Vulva, überwiegend in der Rolle „Frau“,
  • Mann steht für Mensch mit Penis, überwiegend in der Rolle „Mann“
Erweiterbar auf:

In der Praxis bewirkt die aktive patriarchale Lüge, dass Frauen ihre Sexualität unterdrücken, da sie angeblich nur Liebe wollen. Nur in einer angebahnten oder bestehenden Liebesbeziehung werden diese Bedürfnisse ausgelebt. Die sexuelle Anziehung gegenüber anderen Menschen, die nur auf der Ebene Lust existiert, wird jedoch vor sich selbst und vor Anderen abgelehnt, um die falsche Idee, Sex nur in Kombination mit Liebe zu wollen, aufrechtzuerhalten.

Die Ebene Lust ist allerdings die direkte Standleitung zur eigenen Lebensenergie. Die Unterdrückung dieser bewirkt, dass Frauen im Vergleich zu Männern eine gewisse soziale „Trägheit“ aufweisen: So tendieren Frauen eher als Männer dazu, sich den Werten Anderer anzupassen und starre Systeme aufrechtzuerhalten; ebenso gibt es viel weniger weibliche als männliche Kunstschaffende (was nicht nur an den besseren Karrieremöglichkeiten für Männer liegt).

Männer handeln in der aktiven patriarchalen Lüge umgekehrt. Sie unterdrücken ihren Wunsch nach Fairness, Liebe und Zärtlichkeiten, um typischen Eigenschaften der Rolle „Mann“ wie „hart, unnahbar, allzeit sexuell bereit“ zu entsprechen. Sie leben die Ebene Lust daher aktiv aus, lehnen aber die Ebene Liebe vor sich selbst und vor Anderen ab, um so wiederum ihre falsche Idee aufrechtzuerhalten.

Die Unterdrückung der Ebene Liebe hat zur Folge, dass auch Wahrnehmungen und Handlungen auf Ebenen, wo es überhaupt nicht um Romantik geht, gedämpft sind oder gar ganz ausbleiben. Ein typisches Beispiel dafür sind Männer, die ihre Ebene Liebe so sehr unterdrücken, dass sie sogar auf der Ebene Freundschaft ihren besten männlichen Freund nicht so umarmen können, wie sie das gerade gerne tun würden. Auf allen Ebenen leidet die Fähigkeit, Empathie gegenüber Mitmenschen zu spüren und zu zeigen, sei es im Arbeitsumfeld oder bei der Anbahnung oder Auslebung eines sexuellen Interesses.

Eine akkurate Beschreibung und gleichzeitig Parodie der Rolle „Mann“ bietet das Lied „Männer sind Schweine“ von den Ärzten.

Kleine Wiederholung:

Die Ebene Liebe schließt die Ebene Lust mit ein.
Die Ebene Lust existiert aber auch unabhängig ohne die Ebene Liebe.

Für Sex braucht es eine menschliche Grundhygiene, sich gegenseitig attraktiv und sympathisch genug zu finden, sowie Konsens und Fairness von allen Beteiligten.

Für eine Liebesbeziehung braucht es alles, was für Sex notwendig ist – und zusätzlich Kennenlernen, zusammenpassende Interessen, Vertrauen, Verliebtheit und den Wunsch, möglichst viel vom eigenen Leben miteinander zu teilen.

Eine Liebesbeziehung ist also viel voraussetzungsvoller als ungezwungener Sex.

Jemanden geil zu finden ist demnach einfach, jemanden als ganzen Menschen ehrlich gemeint (!) so anziehend zu finden, dass Verliebtheit/Beziehungswunsch möglich ist, schon schwerer.

Daher tritt das Bedürfnis nach Handlungen der Ebene Liebe generell seltener auf als das Bedürfnis nach Sex – ganz einfach weil auf der Ebene Liebe weniger Menschen zu einem passen, als auf der Ebene Lust.

Treffen nun die sozialen Rollen „Frau“ und „Mann“ mit ihren jeweiligen Unterdrückungsmechanismen und falschen Ideen aufeinander, fällt ein Unterschied sofort ins Auge:

Frauen scheinen in der Anbahnung von sozialem Kontakt mit neuen Menschen passiver: Ihr Bedürfnis nach Liebe, das die inneren Grenzen ungehindert passieren darf, findet einfach seltener einen Resonanzmenschen als ihr Bedürfnis nach Sex, das ja unterdrückt wird. Diese Unterdrückung bewirkt, dass Resonanzmenschen auf der Ebene Lust gar nicht erst wahrgenommen werden. Daher haben Frauen Schwierigkeiten, Resonanzmenschen rein auf der Ebene Lust zu erkennen („Es gibt echt kaum hübsche Männer!“) oder – falls doch einmal einer über die Schwelle ins Bewusstsein schwappt – aktiv auf solche zuzugehen („Ich finde ihn nicht geil – ich schau weg. Ich finde ihn geil – ich schau weg.“). Bleibt das Ganze unbewusst, kann sich ein Umweg über die patriarchale Lüge bilden: Dann verliebt sich die Frau sekundärmotiviert, weil sie einen Sex-Resonanzmenschen fälschlicherweise als Resonanzmenschen auf der Ebene Liebe einordnet.

Bei Männern ist wieder das Gegenteil der Fall; sie scheinen raumeinnehmend: Ihr Bedürfnis nach Sex darf ihre inneren Grenzen ungehindert passieren, ihr Bedürfnis nach Liebe wird hingegen unterdrückt. So können sie ständig Resonanzmenschen auf der Ebene Lust wahrnehmen und ansprechen. Die Anzahl der Resonanzmenschen ist im Vergleich zur scheinbaren Auswahl aus der Sicht von Frauen natürlich mehr, denn die Ebene Lust beinhaltet von vorneherein mehr mögliche Kandidat_innen als die Ebene Liebe. Männer haben dann aber, weil sie die Ebene Liebe unterdrücken, Schwierigkeiten, mit einem Gegenüber empathisch und fair umzugehen, also u. A. das Gegenüber nicht zu überfahren – womit sie sowohl bei der Anbahnung eines One-Night-Stands als auch bei der Anbahnung einer Liebesbeziehung dafür ungeeignete Menschen anziehen, denen als Reaktion dann die Wünsche des betreffenden Mannes ebenso egal sind.

Ein Mann hat in diesem System höhere Erfolgschancen, sein Bedürfnis nach Sex auszuleben, wenn er durch Nähehandlungen wie Küssen, Streicheln oder Kuscheln die Ebene Liebe bei einer Frau anspricht. Denn die Ebene Liebe muss in der Rolle „Frau“ erst eingeschalten werden, um die Ebene Lust freizuschalten.

Damit ziehen auf der Highscore-Liste der patriarchalen Lüge Menschen, die die Rolle „Frau“ einnehmen, automatisch den Kürzeren:

Stimmt die Frau einer sexuellen Interaktion zu, bekommt der Mann wenigstens die Erfüllung seines Bedürfnisses nach Sex. Eine Frau bekommt weder das eine, noch das andere, da ihr Fokus auf der Erfüllung ihres Nähe-Bedürfnisses auf der Ebene Liebe liegt, das durch die „leeren“ Handlungen des Mannes von vorneherein nicht inkludiert war.

Aus einer größeren Entfernung verlieren allerdings beide Rollen/alle Geschlechter:

Denn natürlich wünschen sich Frauen Liebe und geilen Sex.
Und natürlich wünschen sich Männer geilen Sex und Liebe.

Und zwar sowohl als Ebene Liebe und Ebene Lust kombiniert (= Verliebtheit/Liebesbeziehung), als auch auf der Ebene Lust an sich (= Sex zum Spaß).

Im Endeffekt erlebt also niemand, was sier sich wünscht.

Die Einzementierung der patriarchalen Lüge – Teil 1/2: Im Mainstream oder: Warum stehen Frauen auf Arschlöcher?

An wen richtet sich der Artikel?

Welche Orientierungen, Rollen, oder Geschlechter der Artikel anspricht
Sexuelle Orientierung(en): heterosexuell, heterosexuell lebend wenn bisexuell
Romantische Orientierung(en): heteroamor, heteroamor lebend wenn biamor
Geschlecht(er): alle
Wer ist mit Frau und Mann gemeint?
  • Frau steht für Mensch mit Vulva, überwiegend in der Rolle „Frau“,
  • Mann steht für Mensch mit Penis, überwiegend in der Rolle „Mann“
Erweiterbar auf:
  • Mensch in der Rolle „Frau“ wünscht sich Liebe von einem Menschen in der Rolle „Mann“,
  • Mensch in der Rolle „Mann“ wünscht sich Sex von einem Menschen in der Rolle „Frau“,
  • alle sexuellen und romantischen Orientierungen.

Die patriarchale Lüge behauptet:

Frauen wollen keinen Sex, sondern nur Liebe.
Männer wollen keine Liebe, sondern nur Sex.

Wenn diese beiden Rollen aufeinander treffen, haben wir einen Mann, der seinen Wunsch nach Sex direkt an eine Frau richtet – und eine Frau, die angewidert ablehnt, da Sex nur gemeinsam mit der Ebene Liebe existieren darf – und die ist nicht Teil vom Paket.

Die angeborene ehrliche Kommunikation zwischen den Geschlechtern wird dadurch abgeschnitten. An ihre Stelle tritt mit den anerzogenen Rollen eine Kommunikation voller Sekundärmotivationen und „Spielchen“ – von Frauen und Männern gleichermaßen. Das setzt die folgende Kettenreaktion in Gang:

Um sein Bedürfnis nach Sex trotzdem zu befriedigen, fängt ein Mann, der diese Interaktionen durchschaut hat, ganz bewusst an, Frauen die Ebene Liebe vorzuspielen, um Sex zu bekommen. Dadurch verschafft er sich einen Vorteil unter allen Interessenten auf der Ebene Lust: Er übertrumpft alle, die die Ebene Lust ehrlich kommunizieren, da die begehrte Frau nur auf die Männer, die ihr die Ebene Liebe anbieten, positiv reagiert.

Weil Frauen ihre eigene sexuelle Aktivität unterdrücken, Männer diese aber ausleben, sieht aus dem Blickwinkel einer Frau die Männerwelt wie eine endlose Schlange an sexuellen Interessenten aus: Kaum wird dem ersten ein „Nein“ erteilt, steht der nächste bereit. Sehr gut ist das in jeder Online-Kontaktbörse ersichtlich, wo eine Frau von Anschreiben und Anfragen von Männern förmlich bombardiert wird, Frauen jedoch kaum Männer anschreiben.

Würden Frauen ihre sexuellen Wünsche nicht unterdrücken, sondern zulassen, und als Folge davon aktive Anbahnung betreiben, sähe die Anzahl und Häufigkeit der Interessent_innen und Anfragen bei allen Geschlechtern in etwa gleich aus: Männer würden genauso viele Sexangebote von Frauen bekommen, wie Frauen aktuell von Männern.

Ein Mann, der nun gelernt hat, seine Energie darin zu investieren, die Ebene Liebe vorzutäuschen, um so an Sex zu gelangen, sticht aus dieser schier endlosen Auswahl hervor. Der Trick ist nämlich, die Ebene Liebe so perfekt vorzuspielen, dass im Vergleich zu Interessenten, die ihre Persönlichkeit ehrlich mit Ecken und Kanten zeigen, eine Kunstperson übrigbleibt, die scheinbar keine Fehler mehr hat und sich als „Traumprinz“ verkauft.

Dabei ist die Kunstperson des Traumprinzen gar keine ausgeklügelte neue Persönlichkeit, sondern sogar die komplette Abwesenheit einer solchen – im Wesentlichen eine leere „Leinwand“, auf der eine Frau die Erfüllung ihrer Sehnsüchte zu sehen glaubt: Ihre eigenen unerfüllten Wünsche auf der Ebene Liebe, als auch ihre sexuellen Wünsche auf der Ebene Lust, die sie durch die Rolle “Frau” unterdrückt: “Endlich ein interessanter Mann, in den ich mich verlieben kann, und der mich richtig verführen wird!”

Dagegen wirken auf den ersten Blick nicht nur ehrliche Interessenten auf der Ebene Lust, sondern sogar ehrliche Interessenten auf der Ebene Liebe unscheinbar, die tatsächliche Liebesbeziehungen werden könnten. Daher entsteht der Eindruck, Frauen würden Arschlöcher sexuell und romantisch bevorzugen: Diese bekommen an Sex und an einer Liebesbeziehung interessierte Frauen, während Männer, die ehrlich kommunizieren, auf beiden Ebenen leer ausgehen.

Nun nimmt die Kettenreaktion eine exponentielle Geschwindigkeit an:

Immer mehr Männer, die diese Interaktion durchschauen, stellen resigniert fest, dass eh nur Arschlöcher Erfolg bei Frauen haben. Daraufhin lernen sie, selbst genauso eine Maske aufzusetzen, um an Sex zu kommen.

Und was ist daran jetzt ein Arschloch?

Ganz einfach: Hinter der Maske des Traumprinzen versteckt sich immer ein Mensch, dessen Charakter sich am treffendsten mit „Arschloch“ beschreiben lässt. Darunter kommt nämlich ein Mann zum Vorschein, der von der ständigen Ablehnung seiner ehrlichen Kommunikationsversuche auf der Ebene Lust oder der Ebene Liebe so frustriert ist, dass er nun mit einer gehörigen Portion Frauenverachtung und „Halt endlich her, du Scheiß-Frau“ an die Auslebung seiner sexuellen Bedürfnisse herangeht.

Setzt dieses Arschloch seine „Maske“ auf, haben wir einen Mann, der sexuelle und romantische Erfüllung zu versprechen scheint. In Wirklichkeit sind dies aber nur die exakten Worte, die die angesprochene Frau hören will. Immer wieder sogar nicht einmal das, denn ein geschicktes Arschloch verneint an ihn gerichtete Wünsche einfach nicht, sodass (für ihn) ständig so viele Optionen wie möglich offen bleiben.

Nach Einwilligung zu einem sexuellen Akt seitens der Frau, der ja das Ziel dieses ganzen Spielchens ist, geht die Gleichung für eine beteiligte Frau nicht auf:

Sie bekommt nicht einmal den Furz einer Erfüllung auf der Ebene Liebe – die war, entgegen aller Andeutungen und Versprechungen, von vorneherein nicht inkludiert. Außerdem meistens auch keine Erfüllung auf der Ebene Lust. Denn kein Arschloch ist daran interessiert, einer Frau großartig etwas zu geben oder große Sorgfalt auf ihre Befriedigung zu verschwenden. Denn eigentlich verachtet das Arschloch die von ihm verführte Frau – stellvertretend für alle Frauen, die ihn früher abgelehnt oder gar nicht erst bemerkt haben, als er noch ehrlich kommunizierte, weil ein anderes Arschloch ihn überstrahlte.

Menschen in der Rolle „Frau“, die auf diese Taktik der Arschlöcher in der Rolle „Mann“ hereinfallen, sammeln also haufenweise sexuelle und emotionale Enttäuschungen – und unterdrücken ihr eigenes sexuelles Bedürfnis daraufhin noch mehr, da die Auslebung dessen immer in negativen Konsequenzen endet.

Das wiederum vertreibt noch mehr ehrlich kommunizierende Männer, die über Zeit ebenfalls zu Arschlöchern werden, und die nächsten Frauen manipulieren, usw.

Und damit sind wir bei der Entstehung von Rape Culture gelandet.

Die Einzementierung der patriarchalen Lüge – Teil 2/2: In der queeren Szene oder: Das Patriarchat ist tot. Es lebe das Patriarchat!

An wen richtet sich der Artikel?

Welche Orientierungen, Rollen oder Geschlechter der Artikel anspricht
Sexuelle Orientierung(en): homosexuell, homosexuell lebend wenn bisexuell
Romantische Orientierung(en): lesbisch, schwul, homoamor lebend wenn biamor
Geschlecht(er): alle
Wer ist mit Frau und Mann gemeint?
  • Frau steht für Mensch mit Vulva, überwiegend in der Rolle „Frau“,
  • Mann steht für Mensch mit Penis, überwiegend in der Rolle „Mann“
Erweiterbar auf:
  • Mensch in der Rolle „Frau“ wünscht sich Sex mit einem weiteren Menschen in der Rolle „Frau“,
  • Mensch in der Rolle „Mann“ wünscht sich Sex mit einem weiteren Menschen in der Rolle „Mann“,
  • alle sexuellen und romantischen Orientierungen.

Diverse alternative Szenen auf der ganzen Welt, z. B. die linkspolitische oder queere Szene, behaupten gerne, das Patriarchat erfolgreich zu bekämpfen. Nachdem ich drei Jahre lang Feldforschung in der queeren Szene betrieben habe, kann ich zwar bestätigen, dass es tatsächlich einige vielversprechende Konzepte gibt, die die patriarchale Struktur zumindest aufweichen. Doch die Idee, das Patriarchat innerhalb der Szene erfolgreich zu bekämpfen, ist ganz einfach falsch.

Die sozialen Rollen „Frau“ und „Mann“ sind genauso wie im heteronormativen Mainstream präsent. Dabei hat die sexuelle Orientierung mit der sozialen Rolle gar nichts zu tun: So kann eine lesbische genauso wie eine Hetero-Frau verhaltensgleich die Rolle „Frau“ einnehmen, lediglich die erotischen und amoren Wünsche sind an ein anderes Geschlecht gerichtet.

In der Lesben- oder FLINT-Szene

In der Lesben-Szene nehmen meistens lesbische (= homoamore) oder biamore Frauen die Rolle „Frau“ ein. Ein biamorer Trans-Mann, eine lesbische Trans-Frau oder ein lesbisch-homoamores weiteres Geschlecht können sich aber genauso in der Rolle „Frau“ verhalten.

In der Rolle „Frau“ unterdrücken diese Menschen ihr Bedürfnis nach der Ebene Lust, da Sex ja nur in Kombination mit der Ebene Liebe erlaubt ist.

Die Ebene Lust ist allerdings die direkte Standleitung zur eigenen Lebensenergie. Die Unterdrückung dieser führt dann zu FLINT-Umgebungen, in denen viele passive Frauen herumstehen und keine großartige soziale Interaktion zustande kommt. Die einzige Ausnahme bilden bestehende Pärchen, die zumindest untereinander eine aktive Ebene Lust haben.

Das Bedürfnis nach der Ebene Lust mit verschiedenen Menschen zu unterdrücken bleibt allerdings niemals ohne Konsequenzen.

So hat sich in fast allen Lesbenszenen der westlichen Gesellschaft ein typisches unbewusstes Verhaltensmuster herausgebildet: Da die Rolle „Frau“ Sex nur in einer Verliebtheit oder Liebesbeziehung zulässt – und das auf beiden Seiten! – sind unter Frauen und weiteren Geschlechtern in der queeren Szene sekundärmotivierte Verliebtheiten so weit verbreitet, dass es viele Kurzzeitbeziehungen, extreme serielle Monogamie und damit verbundenes Drama gibt. Dieses Verhalten tritt so häufig auf, dass es in Lesbenszenen bereits ein Klischee darstellt, und Menschen als der Szene zugehörig kennzeichnet, wenn sie darüber Witze machen.

Ein anderer Weg ist der folgende: Sexuelle Anbahnung zum Spaß wird im heteronormativen Mainstream meistens von Hetero-Männern in der Rolle „Mann“ erfüllt, was unter mehrheitlich Lesben und Schwulen natürlich ausbleibt. Also rutschen anwesende Frauen in diese Rolle: Dykes oder Butches betreiben im Vergleich zur Umgebung oft aktiv sexuelle Anbahnung. Durch Vorspielen der Ebene Liebe „knacken“ sie die Unterdrückung der sexuellen Bedürfnisse des Gegenübers in der Rolle „Frau“ und können so ihre Ebene Lust ausleben.

Da sie sich aber in der Rolle „Mann“ befinden, unterdrücken sie ihrerseits ihre eigene Ebene Liebe. Das dämpft die Fähigkeit, Empathie gegenüber Mitmenschen und deren Gefühlen zu empfinden. Damit fällt es leichter, eine „Traumprinz(essin)“-Maske aufzusetzen. Ein passendes Beispiel dafür ist der Charakter „Shane“ in der Serie „The L Word“. Um Sex zu haben, sagt sie genau das, was ihr Gegenüber in der Rolle „Frau“ hören will. Meistens macht sie sogar gar nichts, und verneint Wünsche, die ihr Gegenüber an sie richtet, einfach nicht. Erst später im Handlungsverlauf stellt sich heraus, dass sie nichts davon wollte, sondern es einfach passieren ließ, solange sie damit im Vorteil war.

Hier möchte ich betonen, dass selbstverständlich nicht alle Dykes oder Butches so tief in der Rolle „Mann“ gefangen sind, dass sie ein Arschloch mit Traumprinz(essin)-Maske werden. Geschieht die Einnahme von beiden Rollen jedoch oft genug, um eine exponentielle Kettenreaktion in Gang zu setzen, kann auch in einer FLINT-Umgebung Rape Culture mit sexuellen Nötigungen und Übergriffen entstehen.

In der schwulen Szene

In der schwulen Szene hingegen herrscht ein konträres Bild: Die Rolle „Mann“ wird dort meistens von schwulen (= homoamoren) oder biamoren Männern angenommen. Ein biamorer Trans-Mann oder ein schwul-homoamores weiteres Geschlecht kann sich aber genauso in der Rolle „Mann“ verhalten.

Diese Menschen lassen dann ihr sexuelles Bedürfnis der Ebene Lust durch; ihr Bedürfnis nach Empathie und Liebe auf der Ebene Liebe hingegen unterdrücken sie vor sich selbst und vor anderen. Dadurch entsteht ein sexuell recht offener Raum, in dem Berichte über One-Night-Stands, sexuelle Anbahnungen, Anspielungen oder Scherze mit genitalem Inhalt zum Small Talk gehören. Hat die Mehrheit der Gruppe enthemmende Drogen konsumiert (z. B. Alkohol), tritt dieses Verhalten noch deutlicher auf.

In Beziehung lebende Menschen begegnen dieser sexuellen Offenheit und Promiskuität allerdings mit Distanziertheit und Skepsis. Sind sie als Pärchen unterwegs, halten sie bewusst Abstand und sind eher aufeinander als auf die Gemeinschaft konzentriert. Die Singles beklagen indessen, dass es so schwer ist, einen geeigneten Partner für eine romantische Beziehung zu finden, oder eine solche längerfristig zu halten. Gemeinsames Schauen von Online-Dating-Seiten und Besprechen der jeweiligen (gescheiterten) Beziehungserfahrungen inbegriffen.

Das sind direkte Folgen der Unterdrückung der Ebene Liebe: Wenn in einer Liebesbeziehung beide Seiten ihre Ebene Liebe unterdrücken, gibt es keine Verbindungsmöglichkeit zwischen den Gefühlsebenen, die für eine erfolgreiche Liebesbeziehung zwingend notwendig ist.

Einige Schwule oder Bi-Männer, insbesondere wenn diese als „weiblich“ besetzte Persönlichkeitsanteile ausleben, geraten durch das Überangebot der Rolle „Mann“ als unbewussten Ausgleich in die Rolle „Frau“. Dann lehnen sie die sexuellen Anspielungen der Gegenüber pikiert ab. Dadurch geraten sie zusätzlich in die Rolle des „Spielverderbers“ und ziehen negative Aufmerksamkeit von bestimmten Menschen in der Rolle „Mann“ auf sich. Diese haben eine eingeschränkte Wahrnehmung von Fairness gegenüber Mitmenschen und erkennen daher die nonverbalen Signale nicht, die die Grenze zwischen Anbahnung und Übergriffigkeit markieren – oder ignorieren solche Signale sogar bewusst. Dieses Verhalten ist dann eine Form von Rape Culture.

Im Marketing:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die queere Szene demnach kein Ort ist, an dem das Patriarchat überwunden wurde, sondern sogar ein besonders genauer Filter. Er kommt durch die stärkere Geschlechtertrennung als im Mainstream zustande und erlaubt einen guten Blick auf die Anwendung der patriarchalen Lüge:

Die FLINT-Szene auf der einen Seite verstärkt die Verhaltensweisen der Rolle „Frau“ bis ins Absurde, die schwule Szene auf der anderen Seute tut dasselbe mit den Verhaltensweisen der Rolle „Mann“.

Ein interessantes Beispiel dafür sind die Empfehlungen zur LGBT-Kultur Wiens des Unternehmens Wien-Tourismus. So wird für Lesben und Bi-Frauen eine Liste an Cafés und Clubbings angeboten. Die typischen Tätigkeiten dort sind: Miteinander reden, Netzwerken für die queere Szene, Lesen (wenn das Café Bücher hat) und auf Clubbings Tanzen. Für Schwule und Bi-Männer hingegen gibt es eine eigene Liste an Schwulensaunas: Die typischen Tätigkeiten dort sind: Swingen (= Sex zum Spaß) und Thermenbesuch. Zitat eines Schwulen darüber zu mir: „Wenn du dort eine Frau für Sex zum Spaß suchst, musst du sie dir mitbringen!“

Warum gibt es keine „Lesbensauna“, wo ausschließlich Frauen und andere Menschen mit Vulva miteinander geilen Sex zum Spaß haben können? Und kein nettes Büchercafé für ausschließlich Schwule, wo diese in Ruhe sitzen, miteinander reden, netzwerken und lesen können?

Genau: Weil die patriarchale Lüge aktiv ist. Frauen wollen schließlich nur Freundschaft und Liebe und Männer nur Sex.

Wie geht guter Sex? – Teil 2/4: Organische Chemie

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Welche Orientierungen, Rollen, oder Geschlechter der Artikel anspricht
Sexuelle Orientierung(en): heterosexuell, heterosexuell lebend wenn bisexuell
Romantische Orientierung(en): heteroamor, heteroamor lebend wenn biamor
Geschlecht(er): alle
Wer ist mit Frau und Mann gemeint?
  • Frau steht für Mensch mit Vulva, überwiegend in der Rolle „Frau“
  • Mann steht für Mensch mit Penis, überwiegend in der Rolle „Mann“
Erweiterbar auf: alle sexuellen und romantischen Orientierungen

Manche behaupten, dass jeder Mensch andere sexuelle Vorlieben hat und daher allgemeine Prinzipien für „guten Sex“ nicht definiert werden könnten. Dieser Ansicht bin ich nicht. Während es richtig ist, dass kaum zwei Menschen die exakt gleichen Vorlieben in exakt der gleichen Stärke haben, gibt es sehr wohl einige Grundlagen, wie eine Vulva oder ein Penis beim Sex funktioniert, und was in weiterer Folge guten Sex ausmacht. Da in einer patriarchalen Mehrheitsgesellschaft die Ebene Lust von Frauen wesentlich mehr unterdrückt wird, als die von Männern (deren Unterdrückung betrifft stattdessen die Ebene Liebe), drehen sich die folgenden Artikel mehr um die sexuelle Funktion einer Muschi.

Jeder Körper, der sexuelle Lust empfindet, macht unwillkürlich Kontraktionen mit den Muskeln rund um den Genitalbereich. Viele Menschen spüren das als plötzliche Bewegungen am ganzen Körper, die sie nur mit Mühe unterdrücken können, wenn sie sich selbst befriedigen oder Sex haben.

Bei einem weiblichen Körper funktioniert das so: Wenn ein Dildo, Finger oder Penis in der Scheide hin- und herbewegt werden, und sich das für die Frau lustvoll anfühlt, ziehen sich die Muskeln rund um die Scheide zusammen und entspannen sich wieder. Je mehr Lust die Frau empfindet, desto stärker und schneller. Am stärksten sind diese Kontraktionen während dem weiblichen Orgasmus.

Beim Hetero-Sex, konkret beim Geschlechtsverkehr, nützen die Muskelbewegungen aber nicht nur der Frau, sondern sie massieren auch einen in der Scheide steckenden Penis mit. Das ist für den Mann üblicherweise ebenfalls lustvoll. Beim Ficken bedeutet das für einen Mann: Je mehr Lust die Frau empfindet, desto besser wird sein Penis massiert, und desto mehr Lust wird er selbst empfinden. Daher verhält sich ein Mann, dem die Lust der Frau beim Hetero-Sex „zu viel Arbeit“ ist, eigentlich dumm: Er nimmt sich selbst eine richtig geile Penismassage weg.

Dieses Prinzip ist auf gleichgeschlechtlichen Sex direkt übertragbar:

Bei lesbischem Sex, sei es durch Fingern, Lecken oder einen Dildo, sind die Muskelbewegungen der Frau, die dadurch Lust empfindet, auch für die aktive Frau lustvoll, die so direkt spüren kann, wie ihr Gegenüber ihre Handlungen genießt.

Die Muskeln rund um den After funktionieren genauso wie die rund um die Vulva (bei einem weiblichen und einem männlichen Körper). Bei schwulem Analverkehr, den der passive Mensch lustvoll findet, massieren seine Muskelbewegungen daher den Penis des aktiven Menschen auf die gleiche Weise mit.