Yin und Yang: Grundlagen – Teil 5/5: Was ist BDSM?
BDSM steht eigentlich für drei ineinander verwobene Begriffspaare:
- B/D – Bondage/Discipline
- D/S – Dominance/Submission
- S/M – Sadism/Masochism
Die englischen Bezeichnungen können eins-zu-eins ins Deutsche übersetzt werden:
- B/D – Bondage/Disziplin
- D/S – Dominanz/Submission
- S/M – Sadismus/Masochismus
Es handelt sich dabei um drei verschiedene Spielarten alternativer Sexualität, von denen sich jede der drei Gruppen wiederum in hunderte Feinvariationen mit eigener Bezeichnung auffächert.
Die Schreibweise der Begriffspaare ist ein Symbol: Der linke Buchstabe steht für die Person, die Regie führt, der rechte für die Person, die die Fantasie umsetzt, indem beide die zuvor vereinbarten Regeln befolgen. Das macht die Handlungen der linken Rolle zur aktiven, gebenden und anstoßenden Seite (Yang), und die rechte zur reaktiven, aufnehmenden und transformierenden Seite (Yin). Der Schrägstrich soll ausdrücken, dass die Begriffe Gegensätze darstellen, wird aber als „und“ gelesen, da die aktive und die reaktive Seite ohne einander kein BDSM betreiben können.
Bondage bezeichnet Fesselspiele mit einem aktiven (fesselnden) und einem reaktiven (gefesselten) Menschen. Die bekannteste Spielart ist dabei das Fesseln mit Seilen aus der japanischen Kultur, allerdings können genauso Handschellen, andere Menschen, die den reaktiven Menschen festhalten, oder Halterungen an der Wand als Mittel für Bondage dienen. Auch eine Einschränkung der Sinneswahrnehmungen, zum Beispiel mithilfe einer Augenbinde, fällt in diese Kategorie. Da einschränkende Methoden vom reaktiven Menschen verlangen, dass dieser die „Disziplin“ zeigt, um sich „einschnüren“ zu lassen, heißt die reaktive Rolle im Spiel dementsprechend.
Sadismus/Masochismus steht für das Zufügen von (Lust-)Schmerz mit einem ausführenden und einem empfangenden Menschen. Das kann mit allen Dingen passieren, die Schmerz erzeugen: Klassisch sind Gerätschaften, die zur Zähmung von Pferden entwickelt wurden, wie Reitgerten oder Peitschen, genauso geht es jedoch mit der Hand (was Spanking genannt wird), oder Alltagsgegenständen wie Wäscheklammern, einer Haarbürste, etc. Auch schmerzerzeugende Temperaturunterschiede durch Eiswürfel oder heißes Wachs auf der Haut fallen unter diese Kategorie.
Da nicht wenige Praktizierende gerne mit dafür geeigneten Gegenständen experimentieren, hat sich innerhalb der BDSM-Szene eine DIY-Szene entwickelt, in der sich Menschen Tipps geben, wie Alltagsgegenstände zur besseren Benutzung modifiziert werden können, oder gemeinsam neue basteln.
Die Struktur eines (gesunden) BDSM ist immer dieselbe: Wenn von zwei beteiligten Menschen ausgegangen wird, vereinbaren diese im Vorfeld, über welche Handlungen eine_r die Kontrolle übernimmt, während das Gegenüber die eigene Kontrolle über dieselben Handlungen abgibt. Der Mensch, der kontrolliert, wird Dom(ina) oder Top genannt, der Mensch, der Kontrolle abgibt, Sub oder Bottom. Die Zeitspanne, in der die vereinbarten Regeln gelten, wird Session oder Spiel genannt. Dementsprechend heißt die konkrete Tätigkeit spielen, und Menschen, die eine solche regelmäßig miteinander machen, bezeichnen sich gegenseitig als Spielmenschen, Spielbekanntschaften, etc. Da das Wort spielen sehr ergiebig ist, haben sich zahllose angelehnte Begriffe entwickelt. Zum Beispiel werden Gegenstände, mit denen man jemandem Lustschmerz zufügen kann, gerne mit Spielzeug, Schlaginstrumente, etc. umschrieben.
Ohne Kontrollaustausch funktioniert Konsens verbal über die Sprache (Ja = Ja, Vielleicht = Nein, aber frag später nochmal, Nein = Nein) oder nonverbal über Körpersprache (sich zu jemanden hin / sich von jemandem weg bewegen). Da es im BDSM um gezielten Kontrollaustausch geht – der reaktive Mensch also für Lustgewinn während eines Spiels bewusst auf die Standard-Möglichkeiten zur Konsensherstellung verzichtet – sind zusätzliche Ausdrucksweisen zur Konsensherstellung zwingend erforderlich:
Bei allen BDSM-Spielarten geschieht das in Form von Sicherheitswörtern (Safe Words) und/oder Sicherheitszeichen (Safe Gestures): Der reaktive Mensch / Bottom und der aktive Mensch / Top müssen im Vorfeld Wörter, Geräusche oder Zeichen vereinbaren, mit denen Bottom bei allen Handlungen zu jeder Zeit ein Stoppsignal geben kann, das von Top prompt befolgt wird. Die Worte „Nein“ oder „Stopp“ können ebenso als Stoppsignal dienen wie extra ausgedachte Codewörter. Mindestens ein Stoppsignal muss dabei die komplette Aufhebung des Kontrollaustauschs bewirken: Dann ist das Spiel pausiert oder beendet und alle Beteiligten stehen wieder auf derselben Stufe – und können, wenn benötigt, die Regeln des Spiels auf Augenhöhe neu verhandeln.
Während das Ziel des Kontrollaustauschs bei Bondage/Disziplin Bewegungseinschränkung ist, sowie bei S/M die Erzeugung von (Lust-)Schmerz, hat D/S keine Vorgabe, welchen Bereich die Kontrolle umspannen soll. Daher ist Dominanz/Submission eigentlich die Oberkategorie von Sadismus/Masochismus und Bondage/Disziplin. D/S kann bei jeder beliebigen Handlung stattfinden, weswegen die Beteiligten eines Spiels im Vorfeld nicht nur Möglichkeiten zur Konsensherstellung vereinbaren müssen, sondern auch, welche Handlungen der aktive Mensch für die Dauer des Spiels kontrollieren darf, und bei welchen der reaktive Mensch die eigene Kontrolle behält und auch während des Spiels spontan selbst etwas macht.
So kann die Kontrolle strikt auf ein bestimmtes Thema beschränkt sein – zum Beispiel, wenn bei Bondage/Disziplin der_die Fesselnde nur Anweisungen gibt, die notwendig sind, damit die Fesseln funktionieren, und der gefesselte Mensch keine (ungeplanten) Schmerzen hat. Das Gleiche gilt natürlich für Sadismus/Masochismus. Wenn vereinbart wurde, dass D/S auch für die folgende Handlung gilt, könnte der_die Fesselnde als Dom danach noch andere Menschen ins Spiel einladen und kontrollieren, von wem sich der gefesselte Menschen wie berühren lassen darf.
Ein wichtiger Hinweis: BDSM ohne Sicherheitswörter oder -zeichen oder falls der aktive Mensch auf vereinbarte Stoppsignale nicht reagiert, ist nicht „experimentell“ oder „ein besonderer Kick“, sondern ein Unmöglichmachen einer Konsensverhandlung vonseiten des aktiven Menschen. Wenn der aktive Mensch in einer solchen Situation etwas macht, das der reaktive Mensch nicht will, ist das sexueller Missbrauch! Bei Anzeige wird dieser vom Staat Österreich auch als solcher strafrechtlich verfolgt!