Rape Culture – Teil 3/3: Auf Kontaktbörsen im Internet

Auf Kontaktbörsen wie Dating- oder Swinger-Websites zeigt sich Rape Culture in belästigenden (= ein „Nein“ ignorierenden) Kontaktaufnahmen und Nachrichten. Wieder sind die Täter_innen Menschen in der Rolle „Mann“, die allem, was weiblich genug erscheint, die Rolle „Frau“ aufprojizieren, egal ob der angesprochene Mensch diese Rolle tatsächlich eingenommen hat. Meistens schlüpfen auch hier wieder Männer in die Rolle „Mann“ und Frauen in die Rolle „Frau“. Die meisten Trans-Menschen und weiteren Geschlechter nehmen je nach ihrer sozialen Prägung und Lebensgeschichte ebenfalls eine der beiden Rollen ein.

Um diese Reaktionen zu erfahren, reicht es aus, sich als Frau, oder weiblich auf einer Online-Kontaktbörse oder Online-Dating-Webseite zu registrieren. Es muss nicht einmal ein Foto hochgeladen sein oder ein einziges Wort im Profil stehen.

Ist eine Frau grundsätzlich an Hetero-Kontaktaufnahmen interessiert, und passieren diese in einer freundlichen oder höflichen Form – kein Problem, darauf beziehe ich mich nicht. Mein Erleben stammt davon, dass ich einige Jahre lang über das Internet Frauen kennenlernen wollte, die mein bisexuelles oder biamores Interesse erwidern würden. Unter Kontaktbörsen für Frau sucht Frau habe ich einige Webseiten aufgelistet, die dafür gut geeignet sind.

Nun wollte ich im Internet keine Männer kennenlernen; ich hatte im Alltag des Mainstreams bereits genügend Anfragen von Hetero-Männern, die meisten davon ungeeignet. Also gab ich das auf jedem meiner Internetprofile an: Frau sucht Frau, Frau sucht lesbisch/bi, lesbisches Interesse, usw. Worauf mich sehr oft Männer anschrieben. Das ist an und für sich kein Problem, es passiert ja, dass jemand nicht genau liest, gerade im Internet. Ein Übergriff und somit Rape Culture wird es in dem Moment, wenn ein „Nein“ oder ein Ignorieren der Kontaktaufnahme vom anschreibenden Mann nicht akzeptiert wird.

Am Anfang antwortete ich noch höflich mit „Kein Interesse, lies bitte mein Profil“. Daraufhin wurde meine Absage aber nicht akzeptiert, im Gegenteil, es ging in 90% der Fälle das gleiche Gespräch los:

Nachfolgend gebe ich die häufigsten Antworten auf mein „Nein“ von ignoranten Männern wieder. Als Kommentar steht eine Auswahl meiner Gedanken, die ich beim Lesen derartiger Nachrichten hatte.

„Warum willst du keine Männer? Hast du schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht?“

Ja, zum Beispiel jetzt gerade mit dir. Und vor fünf Minuten mit dem Kerl, der mir die gleiche Frage gestellt hat.

„Aber möchtest du MICH nicht kennenlernen?“

Hast du eine Muschi? Und Brüste? Und bist du eine Frau? Nein? Dann halt die Klappe.

„Wir könnten doch einfach nur reden und uns besser kennenlernen…“

Du bist auf einer Webseite registriert, wo es vorrangig darum geht, jemanden für Sex zu finden. Du willst weder mit mir reden, noch mich besser kennenlernen. Glaub mir.

(einige Zeit nach einer Absage)
„Du antwortest nicht mehr, hast du das Interesse verloren?“

Nein, ich hatte nie Interesse an dir, du Pfosten! Ein Profil oder einen Nachrichtenverlauf wirst du ja noch lesen können, oder kannst du das auch nicht?

Und wie ich bereits in Was ist Rape Culture und was sind ihre Ursachen? beschrieben habe, schreckten mich die vielen belästigenden Nachrichten so sehr ab, dass ich begann, alle Nachrichten, die nicht von meiner Zielgruppe gesendet wurden, zu ignorieren, und von Männern auf Kontaktbörsen ganz grundsätzlich als „feindliches Lager“ auszugehen.

Und was kann ich gegen Rape Culture auf Kontaktbörsen tun?

Hier ist es einfacher, Grenzen zu ziehen, als in der Öffentlichkeit.

Belästigende User_innen kannst du einfach auf die Ignorier- oder Blockier-Liste setzen, die jede vernünftige Kontaktbörse registrierten User_innen bereitstellt. Je nach Webseite kann dich dann der gesperrte User entweder nicht mehr kontaktieren, oder sogar deine ganze Anwesenheit nicht mehr wahrnehmen, da er dein Profil nicht mehr findet.

Solltest du es mit jemandem zu tun haben, der sich daraufhin immer neue Profile erstellt und dich trotz deiner Absagen oder Nicht-Reaktionen nochmals anschreibt, melde den User mit der Begründung Belästigung den Admin_as der Webseite.

Ich würde empfehlen, auch User zu melden, von denen du mehrmals einen wortgleichen Text erhältst. Hier liegt zwar keine akute persönliche Belästigung vor (wie 1x im Monat derselbe doofe Text als Nachricht), aber du reduzierst damit das Belästigungspotential gegenüber anderen User_innen, da solche Menschen zwar keine Arschlöcher, aber zumindest Idioten sind, die die Website zuspammen.

Hat jemand Daten von dir (Name, Adresse, Kreditkartennummer) oder kennt dich als reale Person, und nutzt das Internet, um dir immer wieder belästigende Nachrichten oder Bedrohungen zu senden, speichere den Verlauf in eine Datei und geh damit zur Polizei. Dieses Verhalten fällt unter „Stalking“ mit eindeutiger gesetzlicher Regelung und kann daher als Straftat angezeigt werden.

Durch Zufall kam ich jedoch auf einen einfachen Trick, um belästigende Anschreiben zu reduzieren.

Bei rein heterosexuellen Männern ging mir bereits im Alltag die Doppelmoral gegenüber Homosexualität (schwule Männer waren abstoßend, lesbische Frauen geil) auf die Nerven. Irgendwann fiel mir auf, dass jeder einzelne heterosexuelle Mann, der in meiner Gegenwart eine herablassende Bemerkung über Schwule gemacht hatte, ignorant und besitzergreifend gegenüber mir (oder anderen Frauen) wurde, sobald auch nur ansatzweise Sex als Thema im Raum stand.

Um diesen Zusammenhang zu testen, mischte ich auf dem Portal Websingles.at unter meine Profilangaben folgende (erfundene) Aussage:

Liebe Männer: Hetero-Männer finde ich fad, sry Jungs! Bi- oder bi-neugierige Männer – schreibt mich an, das könnte spannend werden 😉

Mit dem Erfolg hatte ich nicht gerechnet. Was einfach dazu dienen sollte, mir weniger nervige Nachrichten zu bescheren, beendete die Sache völlig: Über Nacht fiel die Quote der belästigenden Nachrichten von ein bis zwei pro Tag auf etwa vier solcher Nachrichten im folgenden Jahr.

Dabei stand dieser Text nicht einmal oben in meinem Profil, sondern mitten in meiner Beschreibung. Das war der Beweis: Arschlöcher im Internet lesen tatsächlich Profile! Sie entscheiden sich offenbar dann nur dagegen, den Inhalt irgendwie ernst zu nehmen.

Meine Erklärung dafür ist, dass Männer, die gegenüber Frauen homophob sind (= die Angabe „lesbisch“ oder „Frau sucht Frau“ ignorieren), ganz einfach immer homophob sind, also auch gegenüber Männern und letztendlich sich selbst. Mich anzuschreiben, würde sie dann als bisexuell kennzeichnen, und, wuaaah, das geht gar nicht, denn echte Männer stehen ja bekanntlich niemals auf andere Männer…